Was man so Liebe nennt
ein.«
Vic sah ihn an; die Enge in der Kabine, die schließlich nicht für drei entworfen war, zwang Ivans Bauch gegen seinen.
»Chris, das ist Ivan«, sagte er mit hohler Stimme, und seine förmliche Vorstellung klang ziemlich grotesk in diesem Ambiente.
»Hi«, erwiderte Chris Moore, während er weiter mit seinem Messer hackte und eine dritte Line zog; das Drogenprotokoll schrieb schließlich vor, jeden Fremden freudig in den Kreis aufzunehmen.
»Hi. Hey, Vic! Was ich dich schon immer fragen wollte, wie hieß wieder dieser Song — auf der zweiten LP, der mit dem Wah-Wah-Pedal?« Vic wollte es nicht fassen, und genau so sah er Ivan an, aber der interpretierte seinen Blick als Unwissenheit. »Du weißt schon — dum, da-da-da, dumdumdum! Baduum! Dum...«
»Da-dada, dumdumdum, baduum!« stimmte Chris Moore ein.
»Jaah!« sagte Ivan und bewegte die Finger im Rhythmus dazu. »Diddly, diddly, diddly — etwas mit — floating in space / ready to crash ...«
»O Gott, sag mir nicht...«
Vic blickte auf seine Hände und verfluchte sie dafür, daß sie ihn in diesen kleinen Querschnitt der Hölle eingeschlossen hatten. Trotz Trunkenheit wunderte sich Tess bestimmt schon, wo er blieb.
»Hey, Vic«, sagte Ivan, als ihm klar wurde, daß Vic sein kleines Popproblem nicht lösen würde, »Wie bist du eigentlich mit der Lady klargekommen.«
»Welcher Lady?«
»Der auf der Weinprobe neulich, als wir uns letztes Mal trafen.« Er schnippte mit den Fingern. »Tess!«
»Ach so. Gut. Sie ist meine Freundin.«
»Wirklich? Cool!«
Vic nickte; seine Augen wollten ihm zufallen bei dem Versuch, aus der Situation innerlich auszuchecken.
»Weinprobe...?« fragte Chris Moore.
»Das ist ihr Beruf. Sie kauft und verkauft Weine.«
»Hmm. Da würd ich gern mal mit ihr plaudern. In letzter Zeit fahr ich nämlich total auf Weine ab.«
Vic merkte, wie sich ihm der Magen umdrehte, sowohl bei dem Gedanken, Chris Moore Tess vorstellen zu müssen, was das Zusammensein mit ihm noch mehr in die Länge ziehen würde, als auch bei dem Gedanken, wie er auf Wein abfuhr und endlos sein ödes selbstgefälliges Kennertum ausbreitete.
»Heute abend besser nicht, Chris.« Er hatte keine Lust zu irgendwelchen Erklärungen. »Sie ist heute nicht so gut drauf...«
Chris Moore war jedoch kein Mann, der sich so leicht unterkriegen ließ. Während er weiterhackte und seine Lines zog, sagte er fröhlich. »Bloß ein kleiner Plausch. Du weißt schon, um den Kontakt herzustellen...«
O Gott, dachte Vic, ehe er plötzlich einen Ausweg sah. Er fischte in seiner Jackentasche, und aus dem Wust von U-Bahn-Karten, Quittungen, Papiertaschentüchern und Kondomen sortierte er eine Visitenkarte aus.
»Hier...«, sagte er und hielt sie Chris Moore über die Schulter hin. Der nahm sie in seine überberingte Hand und hielt sie prüfend hoch, so als wolle er ihre grundsätzliche Eignung fürs Kokszerkleinern abschätzen: in der Mitte, in einem schwarz umrandeten Quadrat, eine Rebe roter Trauben und darunter Tess’ Name, Adresse und Telefonnummer. »Ruf sie an oder schreib ihr... ein andermal.«
»Na gut...«, sagte Chris achselzuckend.
»Du solltest aber lieber aufpassen mit dem Koks«, sagte Ivan, der die letzte Minute auf ein Graffito an der Klowand gestarrt hatte: ein enormer, abspritzender Phallus, unter dem eine andere Telefonnummer stand, begleitet von den Worten Ich blas dir einen. Auch eine Art Visitenkarte.
»Weil...?«
»Weil du Sex dann vergessen kannst. Kriegst keinen hoch. Letztesmal, als ich mir Koks einpfiff, rührte sich nichts. Kriegte keine Latte. Eine Ewigkeit nicht. Zum Glück ließ sie’s dann zu, daß ich sie in den Arsch fickte.«
»In den Arsch ficken erfordert meiner Erfahrung nach eine Latte von der Beschaffenheit antiken Hartholzes«, warf Chris Moore ohne sich umzudrehen ein. Sein selbstgefälliger Ton erinnerte Vic an die öde, gewollte politische incorrectness des meisten Geschreibsels in Jack. Und wie manchmal in letzter Zeit haßte er plötzlich sein eigenes jüngeres Selbst.
»Stimmt«, sagte Ivan. »Aber es hat geklappt. In ihrem Arsch wurde er irgendwie steif.«
Vic starrte sie beide an.
»Wißt ihr, dieses Gespräch hat mich mehr beeindruckt als irgendwas, war ihr beide sonst je zustande gebracht habt«, sagte er. Dann, zu Chris Moore: »Wie lang brauchst du noch, die Lines da hinzukriegen?«
»Tja... die Sache ist«, sagte er sich halb umwendend, »der Toilettendeckel war ein bißchen... naß.«
»Und?«
»Und jetzt
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