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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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Reihe, die mit G 3489 / Z14 begann. Marian klickte sie an.
    »Blut, unbestätigt«, sagte sie, während sie las. »Lymphknoten, unbestätigt.«
    »Ab heute nicht mehr.«
    »Nein. Kernspintomographie...« sie fuhr mit dem Curser weiter nach unten, »...Wucherung in den Stirnlappen erkennbar.«
    »Hmm. Jaah, das habe ich mir gedacht.« Er blickte auf Marian hinab, bemerkte die feinen Haare, die sich aus ihrem zurückgekämmten Haar lösten und um ihre Stirn spielten. »Sonst noch was?«
    Sie hob fragend beide Augenbrauen, aber ihre Finger huschten zur Tastatur zurück und klickten die Maus. Der Computer surrte, und eine neue Informationsbox erschien.
    »Okay«, sagte sie, verschränkte die Arme und lehnte sich zurück. »Jetzt weißt du ihren Namen, ihr Alter und ihre Adresse.« Sie sah wieder hoch zu ihrem Chef, der auf den Schirm starrte. »Was willst du tun? Hingehen und bei einer völlig Fremden an die Tür klopfen und — hast du was?«
    Marian hatte an der New York University ihr Diplom in Biochemie gemacht, und sie wußte, wie der Körper funktioniert — mit anderen Worten, sie konnte normalerweise jede Körperreaktion auf ihre biochemische Ursache zurückführen; aber als sie jetzt Joe ansah, hatte sie nicht die geringste Ahnung, warum sein Gesicht plötzlich kreideweiß geworden war.

VIC

    V ics Motorroller war eine 1959 Lambretta LD. Sie war eins der Fahrzeuge, die der Handel als Liebhabermodelle bezeichnet. Sie hatte zwei Sitze statt des modernen langen Einzelpolsters, einen grünen, an der Innenseite der Frontverkleidung befestigen Ledertornister, besaß nur drei Gänge und war mit verschiedenen Abzeichen übersät, darunter die Originalzulassungsplakette aus Frankreich an der hinteren Seite und, unter der Vorderlampe, ein rot und silbernes Metallschild mit den Worten Seine Paris Sepsex, was immer das bedeuten mochte. Von nahem besehen sah die Lambretta eindeutig cool aus, von weitem jedoch erweckte sie eher den Eindruck eines Gefährts, auf dem ein wild gewordener 50er-Jahre-Komiker durch voll behängte Wäscheleinen prescht.
    Vic hatte eine Schwäche für seine Lambretta. In gewisser Weise stand er zu Autos und Rollern — zu den alten Modellen — ähnlich wie zu Gitarren, jedoch mit einem Unterschied. Und der bestand in seinem Können. Sein Talent und Wissen, was Gitarren betraf, inspirierte ihn, sich an ihnen auszuagieren — mit Gitarren tauschte er sich sozusagen aus. Vor seiner Lambretta dagegen stand er wie vor einem fremden Wesen. Das Ähnliche in seinem Verhältnis zu Oldtimern und Gitarren bestand in seiner Anbetung von Schönheit — seiner reinen, passiven Bewunderung für Kurven, Schimmer und Farbe. Und wenn er sich dabei ertappte, wie er jedesmal, wenn er sich ein wirklich klassisches Fahrzeug anguckte, am liebsten davor auf die Knie fallen würde, fühlte er sich beinahe schuldig (was ihm bei Frauen nie passierte), so als sei sein Interesse an Oldtimern ein Verrat an den Gitarren. Die Lambretta hatte er als eine Art Kompromiß gekauft, weil er das Gefühl hatte, daß die Gitarren es ihm nicht ganz so verübeln würden, wenn er mit einem Motorroller fremdging, als wenn er sich ein Auto zugelegt hätte.
    Zwischen ihm und seiner Lambretta kam es jedoch, wie gesagt, zu keinem Austausch. Im Grunde hatte er keinen Einfluß auf sie, kein Wort dabei mitzureden, was sie zu tun beliebte und wann. Wenn sie also beschloß, stehenzubleiben, was sie oft tat, nahm Vic es normalerweise gelassen hin, im Bewußtsein, daß solche Roller eigentlich Besitzer haben sollten, die sich mit ihnen auskannten, denen es aus Gott weiß was für Gründen gefiel, Sonntag morgens an ihnen herumzufummeln. Und so hatte Vic — normalerweise — keinen inneren Groll auf den Roller, kein Bedürfnis, ihn zu treten oder auf ihn einzuschlagen. Normalerweise rief er einfach den AA an, guckte die Innerhalb-einer-Stunde-Wartezeit in die Luft, und wenn der Mechaniker, meistens ein vertrautes Gesicht, dann kam, begrüßte er ihn freundlich. Sowie sein Roller wieder lief, fuhr er ruhig nach Hause zurück, ohne Wut wegen der Panne, die er schicksalsergeben als Minuspunkt des Handels hinnahm, den er mit Gott abgeschlossen hatte, als er die Lambrettta kaufte.
    An diesem späten Dienstag nachmittag jedoch — als sie an der Ecke Dulwich Road und Tailton Road, zwanzig Meter vom Rock Stop entfernt, plötzlich stehenblieb — erging es Vic anders. Er wollte den Roller vernichten. Ihn mit seinen bloßen Händen auseinandernehmen. Ihn mit

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