Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
Vom Netzwerk:
Körper wurde ungefähr zehn Meter weit entfernt gefunden.«
    Tess zögerte, ehe sie weitersprach.
    »Ich dachte, du hättest gesagt, das Auto...«
    »Was von ihrem Körper übrig war.«
    Tess fuhr sich mit der Hand an den Mund, und Vic schloß die Augen.
    »Die Polizei gab sich alle Mühe, mich davon zu überzeugen, daß sie schon tot war, ehe das Auto explodierte«, fuhr Joe finster fort; der Biochemiker erwachte wieder in ihm.
    » O Gott! « rief Vic und sprang plötzlich auf. »Das sind doch Details! Sie ist tot. Was spielt es für eine Rolle, wo genau an diesem verdammten Park es passiert ist? Oder was sie eine halbe Stunde vor ihrem Tod getan hat?«
    » Vic ...«, sagte Tess.
    »Ich meine, was wollen wir denn herausfinden? Wir wissen, wo und wann sie starb! Wir wissen, wie lange wir drei in völliger Ahnungslosigkeit schwebten! Was nutzt das irgendwem?«
    Vic hielt inne: Er merkte, daß er plötzlich mitten im Raum stand und Joe und Tess ihn anstarrten. Joe hatte das Gefühl, daß etwas an Vics Ausbruch nicht echt war — es paßte nicht zu ihm. Aber dann sagte er sich, daß es Vic wahrscheinlich genauso erging wie ihm selbst, daß natürlich zu sein einfach unmöglich war. Jede Reaktion — Worte, Mimik, Kopf- oder Handbewegungen —, alles wirkte irgendwie gespielt, von woanders abgeguckt, aus Büchern und Filmen, in denen jemand stirbt.
    »Hört mal, vielleicht sollte ich lieber gehen«, sagte Tess und stand auf.
    »Nein...«, rief Joe.
    »Na, ich dachte nur, ihr zwei seid alte Freunde, und daß ihr vielleicht lieber unter euch seid.«
    »Nein, entschuldige.« Vic ging zu ihr hin und drehte flehend die Handflächen nach oben. »Es ist meine Schuld.«
    »Warum geht ihr nicht beide?« sagte Joe. Sie sahen ihn protestierend an. »Nein, ehrlich, geht... Ich glaube, ich möchte jetzt lieber allein sein.« Diesmal meinte er es so. Er hatte das Bedürfnis, reinen, unvermischten Schmerz zu empfinden, aber die Erinnerung an letzte Nacht verfälschte und vergiftete ihn, und es war die Gegenwart der beiden hier, durch die das Gift in ihn eindrang.
    Tess und Vic wechselten Blicke. Vic kniete sich neben Joe und nahm seine Hand. Dabei fiel Tess auf, daß Joe keinen Ring am Ringfinger trug. Hatte er den Ring in einem verzweifelten umwölkten Moment abgezogen, als er die Nachricht erhielt? Oder hatte er ihn sich gestern abend vom Finger gestreift, ehe sie zusammen ins Bett gingen?
    »Na gut... aber wenn du dich anders besinnst — ruf uns sofort an«, sagte Vic. Joe nickte. »Und... vielleicht ist es kein Trost, und ich weiß, es ist klingt ziemlich abgedroschen — aber wenigsten starb Emma, als sie auf ihrem Höhepunkt war. Ich meine — als sie schön und strahlend und alles war. Wenigstens wird sie nicht enden wie ihre Mutter, nicht wissend, wer sie ist oder wo sie ist — einfach den letzten Rest ihres Lebens neben einem Telefon absitzend, das nie klingelt.«
    Tess blickte auf Vics Hinterkopf; sein schwarzes Haar war immer noch so zerwühlt, wie in dem Moment, als er aus dem Bett gestürzt war — nicht daß er es sonst je kämmen würde. Sie spürte, wie ihr der Atem stockte bei der Brutalität dieses vermeintlichen Trosts. Diesmal hat er wirklich danebengegriffen, dachte sie. Als Joe den Kopf wandte und ihm ins Gesicht sah, erwartete sie, daß sich seine Züge jede Sekunde vor Empörung verzerren würden, aber statt dessen erschien ein leichtes, gequältes Lächeln auf seinen Lippen.
    »Jaaah...« Innerlich schüttelte Tess fasssunglos den Kopf. Vic stand auf und gab ihr mit einer Kopfbewegung zu verstehen, daß sie jetzt gehen sollten.
    »Scheiße...«, sagte Joe, als sie zur Tür gingen. Sie drehten sich um und sahen ihn mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen im Sessel sitzen.
    » Sylvia ...«, sagte er.

TESS

    » D u warst ein bisschen still«, sagte Tess, als sie auf dem Weg nach Sydenham in der Dulwich Road im Stau steckten. Gott: Sie waren so lange dort gewesen, daß der Feierabendverkehr schon angefangen hatte, dachte sie. Aber dieser Tage dauerte der in London sowieso von morgens bis abends; zu jeder Uhrzeit war Hauptverkehrszeit.
    »Hallo?« rief sie Vic zu, als er nicht antwortete. Er sah zum Fenster hinaus, auf die Auslagen irgendeines Musikgeschäfts. Verdammt, so schnell kehrte er zu seinen eigenen Belangen und Sorgen zurück.
    »Was?« sagte er schließlich und wandte den Blick vom Schaufenster ab.
    »Ich sagte, du warst ein bißchen still. Bis du zum Schluß davon anfingst, wie großartig es ist, daß

Weitere Kostenlose Bücher