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Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Titel: Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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und nahm sie schließlich an sich. Sie waren nicht schwer, ohne Griff und Kordel lediglich unbequem zu tragen. Warum allerdings trug er sie überhaupt? Wer war die Alte, dass sie ihm Anweisungen erteilte?
    Die Alte ging zu der Gruppe von Frauen, die sich langsam in den Busch hineinbewegte. Was sollte er tun? Niemand sprach ein Wort mit ihm. Die jungen Leute folgten.
    Das halb verlassene Lager schien ihm unwirtlicher als je zuvor. Die provisorischen Dächer aus Ästen, unter denen sie geschlafen hatten, waren von der Umgebung nicht zu unterscheiden. Nach und nach versammelten sich die Männer, und jeder von ihnen trug etwas: Steine, Speere, einen Korb, eine Tierhaut, einen Wassersack. Auf der Lichtung ertönte trauriger Singsang.
    Dann gingen sie ihrerseits in unregelmäßigen Abständen in den Busch, und zwar in dieselbe Richtung wie die Frauen und jungen Leute.
    Sollte er zurückbleiben? Er wusste, dass er nicht überleben und ziemlich schnell an Hunger und Durst zugrunde gehen würde. Und erhatte nicht die Kraft, erneut die völlige Einsamkeit der ersten Tage zu ertragen. Trotz der Entbehrungen, trotz der unvorstellbaren Schmerzen und Demütigungen, die man ihm zugefügt hatte, war die Gesellschaft der Wilden immer noch besser, als sich ganz allein in diesem unwirtlichen Busch gegen das drohende Ende zu behaupten.
    Er nahm die zwei Wassersäcke, welche ihm die Alte anvertraut hatte, und folgte den anderen. Als er den Waldrand erreicht hatte, wandte er sich um. Kermarec und Landstreicher warteten noch, aber vielleicht bildeten sie die Nachhut und vergewisserten sich, dass niemand zurückblieb.
    Der ganze Stamm war aufgebrochen. Die anderen waren nicht an den vier Tage gegangen, als ihn das Fieber aufs Lager geworfen hatte, und auch nicht am darauffolgenden Tag, an dem er wieder zu Kräften gekommen war. Konnte er daraus schließen, dass sie mit ihrem Aufbruch gewartet hatten, bis er wieder auf den Beinen war?
    Er machte sich auf den Weg und trug die beiden Wassersäcke, die vermutlich aus dem Darm eines Tiers gefertigt waren. Es erschien ihm selbstverständlich, dem Stamm zur Hand zu gehen: Sie gaben ihm zu essen, also musste er sich auch nützlich machen. War das die Zukunft, die ihn erwartete? Lastenträger, mit anderen Worten, Sklave zu sein für eine Horde Wilder …? Der Matrosenberuf war eine naheliegende Wahl gewesen, zumal es für ihn, den jüngeren Sohn, in der väterlichen Werkstatt keinen Platz gegeben hatte. Sein ganzes Leben lang als unverheirateter Bauernknecht in der gleichen Gegend bleiben oder dem Ruf der Ferne folgen? Er hatte nicht lange gezögert und sich für das Meer entschieden, und jetzt war er nichts Besseres als ein Hausknecht für diese Alte und trug ihr Wasser … Den Bäumen murmelte er zu: «Ich heiße Narcisse Pelletier und bin Matrose auf der Saint-Paul.»
    Im Busch war es selbst unter der Mittagssonne kühl. Er versuchte, sich die eingeschlagene Richtung einzuprägen. Wie in der Woche zuvor, als er zusammen mit der Alten die Küste verlassen hatte, lagdie Bucht ungefähr im Norden. An Bord der Saint-Paul hatte ihn das Lesen der Karten nicht sonderlich interessiert, aber er glaubte sich erinnern zu können, dass die Küste auf einer beträchtlichen Länge in Nord-Süd-Richtung verlief. Daher konnte diese Route sie wenigstens nicht von der Küste wegführen.
    Die Männergruppen, gefolgt von Narcisse, holten die Frauen ein und passten sich ihrem Tempo an. Es gab keinen Weg oder Pfad, dem sie hätten folgen können. In einem unscheinbaren Tal, in dem dichteres Buschwerk angenehmen Schatten spendete, legten sie während der heißesten Tagesstunden eine Pause ein. Die Kinder waren müde, tranken Wasser und schliefen sofort ein.
    Nachmittags gingen sie weiter, wobei die Männer und jungen Leute die Frauen immer weiter abhängten. Sie liefen in derselben Richtung weiter wie zuvor und erreichten gegen Abend einen kleinen Hügel. Die jungen Leute errichteten aus Blattwerk Nachtlager und bereiteten das Feuer vor, während die Jäger, welche sich im Busch verteilt hatten, nach und nach hinzukamen, einige mit Beute, einige ohne.
    Das Abendessen war kurz und lief ab wie gewohnt. Die Alte brachte Narcisse einen samt Gefieder gebratenen Vogel, er zerteilte ihn sorgfältig und saugte am Ende die Knochen aus. Die Lauferei hatte ihm gutgetan, aber die Genesung hatte seinen Appetit geweckt, und diese spärliche Mahlzeit konnte da keine Abhilfe schaffen. Vor dem Einschlafen massierte er lange sein linkes

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