Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman
weitaus höhere Befriedigung oder, um ganz ehrlich zu sein, auf einem anderen Niveau.
Hochachtungsvoll …
12
Den folgenden Tag verbrachten sie ausschließlich damit, weiterzuwandern.
Nachdem er aus den schlechten Erfahrungen des Vortags gelernt hatte, nahm sich Narcisse die Zeit, in der Asche nach ausgeglühten Knochen und Federn zu suchen, sie zwischen seinen Händen zu zerreiben, sich anschließend mit dieser schwärzlichen Paste einzureiben und dann Sand über seine Haut zu streuen. Wer hätte in dem nackten bärtigen Gespenst, das von Kopf bis Fuß verdreckt, verschwitzt und von Fett- und Rußspuren bedeckt war und zwei aus Tierdarm gefertigte Wassersäcke trug, jenen kecken Matrosen von der Saint-Paul erkannt?
Von Anfang an wich der Busch einer Art Wüste. Es gab keine Bäume und Büsche mehr, nur einige karge vertrocknete Grasbüschel. Der rote Boden war wie eine Rüstung, die an einigen Stellen beschädigt und eingedrückt war und durch die Kies gleicher Farbe durchschien. Hier und da lagen weiße, von grauen Streifen durchzogene Felsbrocken. Der Boden war nicht mehr eben, sondern stieg immer wieder an, um darauf in zehn Meter tiefe Senken mit teils steilen Flanken abzufallen, das Ganze sah aus wie die eingefrorenen Wogen eines Meeres. Oben am Rand zu einer Senke angekommen, eröffnete sich die Sicht auf weiteres Auf und Ab. Selbst für jemanden mit Kopfbedeckung,festem Schuhwerk und einer guten Mahlzeit im Bauch wäre dieser Marsch monoton und anstrengend gewesen. Doch für Narcisse, dessen Füße sich an der heißen Erde verbrannten, war er unsäglich. Auch die Kinder hatten Mühe, mitzuhalten: Sie weinten nicht – keines der Kinder weinte jemals –, doch sie schlurften dahin oder ließen sich von ihren Müttern tragen.
Soweit seine Schätzung stimmte, bewegten sie sich beständig in Richtung Westen. Wollten sie auf diese Weise ganz Australien durchqueren? Und was würden sie in dieser armseligen Landschaft anstellen, in der es ganz offenkundig weder zu essen noch zu trinken gab?
Gegen Ende des Vormittags bewegte sich der Stamm allmählich in einer langen Schlange vorwärts, die Schwächsten unter ihnen hielten mit dem Tempo der Männer nicht mehr mit. Im Schutz eines riesigen allein stehenden Felsens, so groß wie eine Scheune, machten sie Rast. Der unregelmäßig geformte Brocken, der oben an einer Seite überstand, bot angenehmen Schatten. Der Stamm teilte sich einige kaum gegarte Eidechsen und die letzten Wasserreserven. Narcisse war froh, einige Schlucke trinken zu können, aber er machte sich Sorgen, wie es weitergehen sollte. Vierzig Menschen, darunter Kinder, die eine nunmehr wasserlose Wüste durchqueren sollten?
Sie hatten sich in den Schatten des Felsens zurückgezogen und harrten hier während der heißesten Stunden des Tages aus, dann liefen sie weiter. Die Männer beschleunigten ihre Schritte und waren bald verschwunden. Die Gruppe wurde jetzt von Chef angeführt. Gegen Abend ließ das ermüdende Auf und Ab nach, eine immer noch roterdige Hochebene erleichterte das Fortkommen. Sie endete ebenso unvermittelt, wie sie angefangen hatte, und es tauchten vereinzelte Büsche und dann auch Bäume auf. Sie rasteten am Fuß der Bäume. Kurz darauf brachte die Alte zwei gefüllte Wassersäcke heran. Sie ging wieder fort – Narcisse war zu erschöpft, um auch nur daranzu denken, ihr nachzugehen –, kam zurück und füllte so die Wasserreserven auf.
In der Abenddämmerung kam Plattnase und hielt in jeder Hand ein Fleischstück, das mit Haut und Haaren abgeschnitten oder vielmehr abgerissen worden war. Er verkündete etwas in einem Singsang, legte das Stück Wild auf die Erde und machte wieder kehrt. Die Frauen beeilten sich, das Feuer in Gang zu bringen. Einige junge Leute folgten dem Jäger, und Waiakh überredete Narcisse mit Gesten, sich ihm anzuschließen.
Eine Viertelstunde Fußmarsch entfernt hatten Kermarec und Narbe, ohne auf Verstärkung zu warten, damit begonnen, ihre Beute auseinanderzunehmen. Narcisse fragte sich, wie es den dreien ohne Waffen – oder mit einem Stock, mit Steinen oder Pfeilen – gelungen war, ein Tier zu töten, das größer war als sie. Das merkwürdige Tier – es hatte einen kleinen Kopf, rötliches Fell, übergroße Hinterfüße und einen langen kräftigen Schwanz – wog ungefähr so viel wie ein größeres Kalb. Mithilfe von Steinen hatten die Jäger die Haut an den Gelenken aufgeschnitten, drehten die Gliedmaßen hin und her und rissen so Fleischstücke
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