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Was mit Rose geschah

Was mit Rose geschah

Titel: Was mit Rose geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Penney
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vermutlich, wahrscheinlich in einem Pub), und Großonkel fühlt sich nicht so gut.
    Für mich ist klar, was wir tun sollten.
    »Er muss bei uns wohnen, oder, Mama?«
    Ich schaue sie an, will sie zwingen, ja zu sagen. Ich habe irgendwo gelesen, dass es funktioniert, wenn man es nur genug will.
    »Ich weiß nicht, JJ …« Mama wirkt müde. Neben Tante Lulu sieht sie irgendwie farblos aus, als hätte man sie zu oft gewaschen.
    »Wir müssen ihn nehmen!«
    Für mich ergibt alles andere keinen Sinn, denn Großmutter ist zu alt, und Großonkel kann es nicht, und Tante Lulu hates nicht so mit Kindern. Das sage ich zwar nicht, aber es ist offensichtlich.
    »Er ist doch sowieso wie mein Bruder. Und es würde ihm gefallen.«
    »Sicher, Liebling, aber … du weißt nicht, was du da redest … was es bedeutet. Er ist ein behindertes Kind …«
    »Na und?«
    »Es ist eine Menge Arbeit, sich um ihn zu kümmern, und ich habe meinen Job, und du gehst zur Schule, so dass tagsüber niemand da wäre … und er müsste manchmal ins Krankenhaus, vielleicht jede Woche.«
    Sie schaut Lulu an.
    »Ja, das kann schon sein.«
    »Und … ich weiß nicht. Ivo kann jeden Augenblick zurückkommen. Was soll er dann denken?«
    »Er hat kein Recht, irgendetwas zu denken«, schnaubt Großmutter. »Wenn er einfach so verschwindet.«
    »Ich glaube nicht, dass Ivo zurückkommt«, sagt Lulu.
    Sie sagt es in einem so kalten und entschiedenen Ton, dass wir sie alle anschauen. Sie zündet sich eine Zigarette an und zieht daran, wobei kleine Falten um ihren Mund erscheinen. Ich frage mich, ob sie etwas weiß. Denn ich glaube auch nicht, dass Ivo zurückkommt.
    Mama schüttelt den Kopf. »Es kommt mir einfach nicht richtig vor. Ivo hängt so an Christo …«
    »Wo steckt er denn dann?«
    Großmutter und Lulu sehen sich an. Sie scheinen einer Meinung zu sein, was Ivo angeht.
    »Ich helfe dir, Mama! Wir helfen alle. So wie immer.«
    »Es ist nicht nur die Arbeit. Es ist auch noch was … anderes.«
    »Was denn?«
    Mama seufzt und reibt sich mit der Hand übers Gesicht.
    »Deine Mutter meint«, sagt Tante Lulu, »dass man diejenigen, die Christo zu sich nehmen möchten, überprüfen wird, dawir nicht seine unmittelbare Familie sind. Und sie … na ja, die Behörden werden nicht begeistert sein, wenn es Leute sind, die in einem Wohnwagen leben.«
    »Aber das hat er sein ganzes Leben lang getan!«
    »Schon, aber jetzt haben sie ihn auf dem Schirm, JJ. Sie werden anfangen, Fragen zu stellen. Und Sandra hat recht, da er behindert ist, werden sie besonders neugierig sein.«
    »Verdammte gorjios . Woher nehmen sie das Recht?«
    Großonkel wäre stolz auf mich.
    »Ihrer Ansicht nach ist ein Wohnwagen keine geeignete Umgebung für ein Kind«, sagt Mama.
    Großmutter klopft die Asche von ihrer Zigarette. »Wir können nicht viel tun. Aber ihr wisst, dass wir euch helfen – mit Geld und …«
    Sie meint sich und Großvater. Da wird mir klar, dass sie nicht zum ersten Mal darüber gesprochen haben, was aus Christo werden soll. Normalerweise benutzt Mama keine Ausdrücke wie »geeignete Umgebung«.
    Zum ersten Mal habe ich das Gefühl – das starke, angsteinflößende Gefühl –, dass sich vieles verändern wird. Es hat wohl schon angefangen, als Ivo verschwand, und jetzt wird mir klar, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher. Und genau das möchte ich auf einmal. Ich will nicht wegziehen und auf eine andere Schule gehen, in der ich keinen kenne; ich will nicht, dass wir uns trennen. Wir sind die letzten Jankos. Was soll aus uns werden, wenn wir nicht zusammenhalten?
    »Aber warum können die das entscheiden? Er gehört doch zur Familie. Er ist einer von uns!«
    »Weil Ivo sich verpisst hat! Und Gott weiß, was er sonst noch … Offen gesagt, er hat uns ganz schön in die Scheiße geritten.« Mama ist jetzt wirklich sauer.
    Ich schaue zu Tante Lulu. Sie wohnt in der Stadt, sie muss doch wissen, wie man mit solchen Leuten umgeht. Sie lächelt nicht mehr.
    »Wärst du bereit, in einem Haus zu wohnen, JJ?«
    In meinem Kopf summt eine namenlose Angst. Ich zwinge mich, an Christo zu denken, der im Krankenhaus gefangen ist. Ganz allein.
    »Natürlich, wenn es nicht anders geht.«
    Noch während ich es ausspreche, scheint mir die stickige Krankenhausluft wie Watte in Lunge und Kehle zu dringen.
    »Aber ich verstehe nicht, warum sie uns befehlen können, wo wir wohnen sollen. Wir sind, wer wir sind. Und Christo ist, wer er ist. Wie können fremde Leute, die keine Ahnung

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