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Was mit Rose geschah

Was mit Rose geschah

Titel: Was mit Rose geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Penney
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seine Mutter. Er sollte doch bei uns wohnen, und wir wollten in ein Haus ziehen und so, damit wir uns um ihn kümmern können, ich und Mama …«
    Einen Moment lang bin ich ratlos, bis ich begreife, dass er von Rose spricht.
    »Nein. Nein. Das wird sie nicht. Auf gar keinen Fall.«
    »Aber sie ist seine Mutter.«
    »Nun, das ist es ja gerade …«
    Ich zögere. Vermutlich werden sie es ohnehin bald alle erfahren. Also erzähle ich es ihm.

50
    JJ
    Gestern haben sie Großonkel nach ein paar Stunden aus dem Krankenhaus nach Hause geschickt. Er hätte nichts Schlimmes, meinten sie; anscheinend war es gar kein Schlaganfall. Trotzdem haben sie ihm ein paar Tabletten mitgegeben und gesagt, er solle weniger rauchen – als wenn er das jemals machen würde.
    Großmutter und Großvater sind heute Morgen mit dem Lkw weggefahren. Sie tun im Augenblick sehr geheimnisvoll. Und Mama ist arbeiten. Sie liefert Pizza aus. Ich glaube, sie findet es schrecklich, aber etwas anderes war nicht zu bekommen. Das Blumengeschäft hat sie entlassen, obwohl sie nichts falsch gemacht hat. Es würde nicht genug Arbeit geben, behaupteten sie, aber sie haben niemand sonst entlassen. Normalerweise bin ich gern allein, aber heute fühle ich mich irgendwie leer, als könnte ich den Wohnwagen nicht ausfüllen. Ich musste Mama versprechen, dass ich nachsehe, ob Großonkel seine Tabletten nimmt, und dass ich ihn aufmuntere.
    Als ich rübergehe, schläft er im Rollstuhl. Ich schleiche auf Zehenspitzen umher und spüle leise ab (brav, JJ!), doch obwohl ich beim Aufräumen und Saubermachen kaum Geräusche mache, schaut er mich an, als ich mich schließlich umdrehe. Ich bekomme fast einen Herzinfarkt – ich bin schockiert, weil er mich beobachtet, aber die ganze Zeit nichts gesagt hat. Er lächelt.
    »Ich wollte dich nicht erschrecken.«
    »Hallo, Großonkel!«, sage ich. Meine Stimme klingt laut und ein bisschen hysterisch.
    »JJ, mein Junge. Mach dir einen Tee.«
    »Wie fühlst du dich? Du musst jetzt deine Tabletten nehmen. Das hat Mama gesagt. Sind das diese hier?«
    Ich halte ein Plastikfläschchen hoch. Er nickt und nimmt es, macht es aber nicht auf.
    »Wie geht es dir?«
    Ich lächle, weil das eine komische Frage ist. Ich glaube, so hat er noch nie mit mir geredet – als würde er mich gar nicht richtig kennen. Oder als wäre ich erwachsen. Oder er will die Antwort wirklich wissen.
    »Hm …« Am liebsten würde ich sagen: Ich bin JJ – du weißt doch, wie es mir geht. »Mir geht’s gut.«
    »Du bist ein braver Junge, JJ.«
    Ich vergrabe mein Gesicht im Kühlschrank, damit ich ihn nicht ansehen muss. Dann bringe ich ihm seinen Tee, schön lang gezogen, mit viel Zucker. Ich finde einen Rest Weißbrot und beschmiere einige Scheiben mit Butter.
    »Soll ich Musik anmachen?«
    »Wenn du magst. Mach doch.«
    Ich suche in seinen Schallplatten – ehrlich gesagt bin ich froh, dass ich etwas zu tun habe – und hole ein Doppelalbum von Sammy Davis jr. heraus. Da sind einige meiner Lieblingslieder drauf. Ich lege die Platte auf, stelle sie aber leise, weil er nicht gesund ist.
    »Schau her.« Er wirft eine Tablette in den Mund und spült sie mit dem Tee hinunter. »Das kannst du deiner Mama erzählen.«
    Ich setze mich und halte meinen Teebecher in beiden Händen, obwohl er eigentlich zu heiß ist. Mir fällt nichts zu reden ein. Ich kann nur an Rose denken. Dann frage ich mich, ob Großonkel vielleicht auch nichts davon wusste. Wenn Ivo nun eine heimliche Freundin hatte und sie ein Baby bekommen hat und es nicht wollte, könnte er es durchaus mitgebracht haben. Es muss gar nichts Finsteres dahinterstecken. Vielleicht ist Großonkel ihr einfach nie begegnet – immerhin ist es ja passiert, währendIvo mit Rose verheiratet war. Ich meine, es mag nicht sehr schön von ihm gewesen sein, aber so etwas kommt vor. Man denke nur an meinen sogenannten Vater.
    Ich möchte ihn gerne danach fragen, habe aber Angst, er könnte wieder einen Anfall kriegen.
    Großonkel räuspert sich. Es dauert eine Weile.
    »Wie läuft es in der Schule, mein Junge?«
    Jetzt bin ich wirklich besorgt. Vielleicht verliert er den Verstand. »Ich hab Ferien.«
    »Das weiß ich, mein Junge, das weiß ich doch. Ich meine ganz allgemein. Wie ist es so? Willst du deine Prüfungen machen?«
    »Hm … ja. Ich denke schon.«
    »Das ist gut. Das solltest du tun. Du scheinst wirklich etwas zu lernen. Das brauchen wir.«
    »Ja.«
    Wieder weiß ich nichts zu sagen. Obwohl er mich dann und wann nach der

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