Was nicht passt, wird kuessend gemacht
Seite – für Notfälle, ihre Rente, was auch immer. Sie hatte eine Katze, die sie abgöttisch liebte, und viele Freunde. Ein gutes Leben, dachte sie und verspürte plötzlich einen Anflug von Schuldgefühlen.
Sie hatte gehört, dass Menschen, die sehr erfolgreich waren, sich manchmal wie Blender fühlten. Sie machten sich Sorgen, dass sie eines Tages erfahren würden, dass ihr Glück ein Fehler gewesen war – dass sie gar nicht talentiert waren oder die Beförderung nicht verdient hatten. Gerade jetzt fühlte sie sich genau so. Nicht wegen ihrer Arbeit, aber wegen ihres Lebens.
Sie hatte nie gedacht, jemals so zufrieden sein zu können. So glücklich. Sie hatte nicht erwartet, eine warmherzige Gemeinde zu finden, Freunde zu haben, ein nettes Zuhause. In Wahrheit verdiente sie das alles nicht, aber es gab keine Möglichkeit mehr, das zurückzugeben.
Sie ging in die Küche, wo Marisol, ihre Teilzeitköchin, frische Avocados zu einer Guacamole verarbeitete.
„Hast du alles?“, fragte Jo.
Die winzige, ungefähr fünfzigjährige Frau lächelte sie an. „Das fragst du immer, und immer sage ich dir, dass alles gut ist. Die Lieferanten sind fähige Leute. Sie liefern genau dann, wenn sie es sagen.“
„Ich sichere mich gerne ab.“
„Du magst es, alles unter Kontrolle zu haben.“ Marisol rümpfte die Nase. „Du brauchst einen Mann.“
„Das erzählst du mir schon seit Jahren.“
„Und ich habe immer noch recht.“ Sie wechselte ins Spanische und erzählte Jo vermutlich, dass sie drohte, innerlich zu verdorren, und dass alle ihre Probleme nur durch die Liebe eines guten Mannes gelöst werden könnten.
„Du bist wohl kaum das, was man unvoreingenommen nennt“, murmelte Jo. „Du hast wann geheiratet? Mit zwölf?“
„Mit sechzehn. Das ist beinahe vierzig Jahre her, und wir haben inzwischen acht Enkelkinder. So viel Glück solltest du auch haben.“
„Ja, habe ich aber nicht. Genieß du, was du hast, mir geht es gut.“
„Gut ist nicht glücklich.“
Gut ist aber gut genug, dachte Jo und ging in den Hauptraum hinüber. Gut war mehr als ausreichend. Gut war sicher und schenkte ihr einen ruhigen Schlaf. Wenn sie noch mehr Glück in ihrem Leben hätte, würde sie sich Sorgen machen, dass irgendeine ausgleichende Macht sie bestrafen wollte, um alles im Gleichgewicht zu halten. Da war es besser, auf der sicheren Seite zu bleiben.
Sorgfältig beschriftete sie die Tafel mit dem heutigen Happy-Hour-Angebot. Dann schaltete sie die Fernseher an. In der Pause zwischen Mittagessen und Happy Hour genoss sie die Stille. Aber bald würden die ersten Kunden kommen, und die wiederum freuten sich auf die verschiedenen Fernsehsendungen.
Die Eingangstür öffnete sich, und Will Falk trat ein. Jo wusste nicht, ob sie genervt oder erfreut sein sollte.
„Wie geht‘s?“, fragte er und kam leicht humpelnd auf sie zu.
„Gut.“ Sie legte eine Cocktailserviette auf den Tresen. „Was kann ich Ihnen bringen?“
„Ich bin nur vorbeigekommen, um zu sehen, ob ich helfen kann, die Spielzeuge zusammenzubauen.“
„Das ist schon erledigt. Wir hatten heute Mittag zwei Kinder hier, und sie hatten großen Spaß.“
„Das freut mich.“ Er setzte sich auf einen Barhocker. „Ich nehme ein Bier. Was immer Sie vom Fass haben. Wollen Sie auch eines?“
„Ich trinke nicht während der Arbeit.“
„So viel Arbeit mache ich doch gar nicht.“
Sie lächelte ein wenig. „Sorry, aber nein.“
Er war wirklich nett. Vermutlich auch anständig. Die Sorte Mann, die Sport mochte, selbst gekochtes Essen und zweimal die Woche Sex. Sie hatte gelernt, sich schnell eine Meinung über Leute zu bilden. Bei ihm würde sie sagen, er betrog weder beim Kartenspiel noch seine Frau, hatte viele Freunde und einen hohen Moralkodex.
Er war niemand, mit dem sie sich einlassen konnte. Auf so einen Mann wartete sie zwar noch, aber Will kam definitiv nicht infrage.
Sie stellte ihm ein großes Glas Bier hin und machte sich dann auf den Weg zum anderen Ende des Tresens.
„Liegt es am Humpeln?“
Bei der Frage blieb sie abrupt stehen. Langsam drehte sie sich um und ging wieder zu ihm zurück.
„Nein.“
Er zuckte mit den Schultern. „Einige Frauen mögen es nicht. Sie stehen mehr auf Perfektion.“
„Ich nicht. Ich finde Perfektion nicht sonderlich ansprechend.“
„Okay. Was ist es dann?“
Er ist attraktiv, dachte sie. Normal. In letzter Zeit hatten sich alle ihre Freundinnen in normale, nette Männer verliebt. Sie beneidete sie
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