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Was Oma und Opa noch wussten

Was Oma und Opa noch wussten

Titel: Was Oma und Opa noch wussten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Ulfkotte
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Karlheinz Bellmann hebt hervor, wie unerwartet das auf die satten Isländer hereingebrochen ist. Bellmann: »Es wirkt so wie auf der Titanic, als die Leute noch getanzt haben, obwohl das Schiff den Eisberg schon gerammt hatte.« Von einer Sekunde auf die andere mussten die bislang vom Erfolg verwöhnten Isländer einen Crash- kurs in Bescheidenheit absolvieren. Island hatte zur Jahreswende 2008/09 die höchste Pro-Kopf-Dichte an teuren Geländewagen der
    r
    Typen Porsche Cayenne und VW Touareg der W elt. Über Nacht kam das Ende. Vorbei der Traum von: Mein Haus, mein Auto, mein Boot. Über Nacht fehlten die Devisen für Importe. Und der damalige Pre- mierminister Geir Haarde hatte einen wenig verlockenden Lösungs- vorschlag für die Isländer. Er sagte allen Ernstes: »Wir sollten viel- leicht wieder alle auf Fischfang gehen.« Fisch ist neben lokalen Milchprodukten eines der wenigen Lebensmittel, das in Island nicht importiert werden muss. Und auf diese Nachricht hin rannten die Is- länder erst Recht in die Supermärkte und horteten, was sie mögli- cherweise in Zukunft lange würden entbehren müssen.

    Hamstern ist in den Augen der jüngeren Deutschen total spießig. Hamsterkäufe, das kennen nur noch jene, die den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegsjahre miterlebt haben. Seither sind die Regale doch ständig voll und statt Hunger hat man überall auf Schritt und Tritt die Qual der Wahl. Das Wort »Hamsterkäufe« wurde übertragen vom Hamster, der Nahrungsmittelvorräte in den Backentaschen mit sich führt. Weil wir es gewohnt sind, dass Lebensmittel ständig und (fast) überall verfügbar sind, hat das Wort »Hamsterkauf« heute ei- nen sehr negativen Beigeschmack. Nur auf dem Land sind Hamster- käufe in Deutschland heute überhaupt noch bekannt. So berichtet die Oldenburger Nordwest Zeitung unter der Überschrift »Hamsterkäufe gehören zum Landleben« über das schlechte Wetter, abseits gelegene Bauernhöfe und weite Wege zu den Einkaufszentren im Oldenburger Land. Städter lachen heute über Menschen, die zu Hamsterkäufen in die Supermärkte kommen. Was sie vergessen haben: In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg gab es Hamsterfahrten von Städtern, die Hunderte Kilometer fuhren, um auch nur einen Sack Kartoffeln bei Bauern gegen Schmuck oder andere Wertgegenstände eintau- schen zu können. Erste Anzeichen für eine neue Welle weltweiter Nahrungsmittel-Hamsterkäufe gab es schon im Frühjahr 2008. Die rasant gestiegenen Lebensmittelpreise - von Januar bis April 2008 verdreifachte sich der Reispreis auf mehr als 1000 Dollar (756 Euro) je Tonne - führten im Frühjahr 2008 zu Hamsterkäufen und Ratio- nierungen von Reis. Und zwar in westlichen Ländern, Beispiel USA: Die zu Wal-Mart, g ehörende Kette Sam's Club r ationierte den Reisver- kauf. Sam's Club gestattete seinen Kunden nur noch den Kauf von vier Reissäcken. Wie früher in sozialistischen Ländern üblich, be- schränkten mehr und mehr Supermarktketten die Reisverkäufe. Und deutsche Leser rieben sich verwundert die Augen, berichtete doch selbst der Focus: »Hamsterkäufe sorgen für Reiskrise in den USA«. Einen Monat später dann gab es in Deutschland Hamsterkäufe bei Milch. Denn im Mai 2008 beteiligten sich immer mehr Milchbauern am Lieferboykott, weil der Erlös in den Molkereien nicht ihre Pro- duktionskosten deckte. Die Folge: Hamsterkäufe der Verbraucher. »Hamsterkäufe verknappen die Milch« überschrieb der Berliner Ta- gesspiegel einen entsprechenden Bericht und teilte den verdutzten Städtern mit, dass Supermarktketten wie Kaufland die Milchmengen pro Käufer reduzierten und die Milchregale bei Aldi in Berlin leer sei- en. »Wir lassen keine Massenkäufe zu, um die Versorgung zu ge- währleisten«, sagte Jan Merk, Leiter der K aufland-Filiale in der Stor- kower Straße, dem Tagesspiegel. Hamstern ist also in Krisenzeiten nicht erwünscht - der Hamster muss früher Vorsorgen.

    Hamsterkäufe gibt es heute in Europa immer dann, wenn unerwarte- te Streiks oder Unruhen den Nachschub an Lebensmitteln blockie- ren. Weil das in der Vergangenheit eher selten vorkam, finden wir das exotisch. 1968 gab es in Zusammenhang mit Studenten- und Arbei- terunruhen, die über viele Wochen lang den Transport von Lebens- mitteln auf französischen Schienen und Straßen lahmgelegt hatten, sogar in der französischen Hauptstadt Paris Hamsterkäufe. 1995 dann, bei den großen Streiks im öffentlichen Dienst, kam es in Paris wieder zu Hamsterkäufen. Und

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