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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung
Autoren: Anke Richter
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zu bleiben, haben dagegen ihr praktisches Talent in die Wiege gelegt bekommen. Der Draht der Stärke ›No. 8‹, mit dem früher Zäune auf Schaffarmen und andere erstaunliche Dinge entstanden, ist das Symbol der Allroundtalente, aus dem Nichts zu improvisieren. Für ein kleines Land hat Aotearoa auffällig viele Erfinder. Manche verstecken sich vielleicht unter Fuck Trucks.
    Als mich jemand fragt, woher ich denn komme, sage ich, dass ich in Neuseeland lebe.
    »Na, da haben Sie aber Glück, bei den Benzinpreisen hier. Bei uns müssen Sie ja immer noch eine Eins davor setzen. Hier kann sich’s doch noch jeder leisten, Mercedes zu fahren.«
    Eine nette ältere Dame erkundigt sich besorgt, ob ich denn jetzt noch rechtzeitig zum Flughafen komme, mit all der Verspätung. Und dass das ja wohl ein Unding sei, mich nicht am Ende des Routeburn-Tracks abzuholen.
    »Einfach schlimm. Sie Arme. Ja, was glauben die denn, was man mit uns alles machen kann?«
    Das ist der Auslöser. Die Metamorphose beginnt, schleichend und unheimlich. Wir steigen wieder ein. Die nächsten Minuten Busfahrt reichen, um aus einer gelassenen Halbkiwi eine nörgelbereite Volldeutsche zu machen. Zwanghaft checke ich immer wieder mein Handy, ob es endlich Empfang hat. Kurz vor Ende der Busfahrt ist der Höhepunkt erreicht. Meine Sternstunde. Endlich kann ich telefonieren und mich beschweren, dass es kracht. Ich tippe die Nummer der Shuttlefirma ein. Das Teutonen-Gen macht sich schlagartig bemerkbar. Der Mensch, der abhebt, wird als Erstes zusammengestaucht.
    »Unmöglich! Sie haben mich einfach vergessen«, echauffiere ich mich. Der Mann am Ende der Leitung weicht höflich aus. Er sagt, dass sein Chef noch unterwegs sei, und er wisse auch nicht, was los sei. Meine Worte hageln wie Ohrfeigen auf ihn nieder. Diese Beschwerde hat sich gewaschen. Er wird immer kleinlauter.
    »Ich will sofort wissen, warum ich nicht abgeholt wurde. Ein Unding ist das! Sie müssen doch in der Lage sein, Ihre Termine einzuhalten. So etwas Unprofessionelles!«
    Durchtränkt von Empörung und Selbstgerechtigkeit klicke ich das Gespräch weg, ohne goodbye zu sagen. Ein elektronischer Arschtritt für den inkompetenten Mann. Ach, fühlt sich das gut an – endlich mal wieder richtig meckern zu dürfen, ohne dass jemand zuhört, vor dem man einen guten Eindruck machen muss. Geschweige denn, nicht typisch deutsch erscheinen will. Meine Nationalität hat sich nach langer Unterdrückung Bahn gebrochen. Es ist befreiend wie ein kräftiger Furz allein in weiter Flur.
    Ich schaue auf meine Uhr. Kurz vor vier. Endlich wieder in Queenstown. In einer guten Stunde ist mein Abflug.
    »Du weißt, dass gestern die Uhren auf Sommerzeit umgestellt wurden?«, fragt mich Anton beim Aussteigen. »Jetzt ist es gleich drei.«
    Ah-Oh. Das wusste die Expertin für internationale Zeitzonen natürlich nicht. Und das erklärt, warum mich um halb eins niemand abholen kam. Weil es erst halb zwölf war. Wahrscheinlich sitzt mein bestellter Fahrer noch immer am Parkplatz rum und fragt sich, ob ich irgendwo in eine Felsspalte gestürzt bin. Und da er sicher ein Kiwi wie aus dem Bilderbuch ist, fängt er bald an, alles Menschenmögliche an Hilfe zu organisieren.
    Mir ist heiß vor Scham, als ich zum zweiten Mal die Nummer des Transportunternehmens wähle. Irgendwie muss ich das, was ich gerade angerichtet habe, wiedergutmachen. Auch das ist wohl typisch deutsch.
    Ich simse Dietmar Sägel, dass ich noch etwas Zeit bis zum Abflug habe. Er simst zurück: ›In 20 min vor Airport. Surprise‹. Überraschung am Flughafen. Was wird es diesmal sein? Fliegt er selber einen Helikopter und holt mich darin zum Abschiedskaffee ab? Hat er Peter Jackson mit im Cockpit?
    Er sitzt in einem Mietwagen. Immerhin, das größtmögliche Modell. Kein Mausi in pinkem Lammfell dabei. Er steigt aus und hält mir wie ein Chauffeur die Beifahrertür auf. Ich steige ein. Der Geruch im Wagen erinnert mich an etwas, aber ich komme nicht drauf, was es ist.
    »Wo ist denn Tamara?«
    »Spielt Golf mit Sonja Halverstamm. Die Mädels verstehen sich bombig. Sind ja beide absolute Neuseelandfans.«
    Weder das eine noch das andere kann ich mir vorstellen.
    »Na, dann grüß sie mal von mir. Und wo fahren wir hin?«
    »Lass dich überraschen.«
    Ditze biegt nicht links Richtung Stadt ab, sondern rechts Richtung Cromwell. Wir passieren eine Brücke. Auch die kommt mir bekannt vor. Sie führt über eine Schlucht. Der Kawarau River. Die berühmte
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