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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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Altona von Christchurch ist, dann ist Sumner Blankenese: viel Wasser, viel Blond, viel Geld. Unser Nachbarort hat Strände, Cafés, schicke Neubauvillen, Ferienapartments, zwei Surfshops, einen Tennisplatz und gut besuchte Charityveranstaltungen. Lyttelton und Sumner pflegen ungefähr die gleiche gereizte Beziehung zueinander wie Köln und Düsseldorf. Das reicht dann auch an Ortsvergleichen. Denn nichts nervt mehr, als kritischen Neuseelandbesuchern (also den deutschen) bei diesem beliebten Gedankengeplänkel zuzuhören: »Fjordland? Wie Norwegen, nur viel mehr Regen.« »Die Skigebiete sind kein Vergleich zu Frankreich. Aber dafür weniger Gedrängel.« »Die Hügel sind ja so kahl wie in Schottland.« »Hatte ich mir alles grüner vorgestellt.« Der letzte Spruch fällt meist eine Viertelstunde nach Ankunft, bei der Fahrt vom Flughafen durchs Industriegebiet.
    Schraubt man sich die südliche Serpentinenstraße in Sumner hoch, dann vergisst man sofort, dass Neuseeland eine angeblich klassenlose Gesellschaft ist. Hier stehen Häuser, die gut und gerne eine Million Dollar kosten. Der Blick allein ist unbezahlbar: Unten rauschen Wellen, im Hintergrund räkeln sich die Berge, und dazwischen liegt eine sonnige Passstraße, die nach Fahrradfahren schreit. Lupinen und Allradwagen säumen den Straßenrand vor Evas Einfahrt. Hierhin hat es also meine alternative Mitdemonstrantin verschlagen? Nobel, nobel.
    Das Haus ist groß und beige. Sandsteinfarbener Toskana-Look mit einer Palme davor. In der Garageneinfahrt steht Jörg Olewski vor einer Plastikwanne. Um ihn herum liegen gestreifte Übergardinen zum Trocknen in der Sonne. Der Biobäcker streift sich die gelben Spülhandschuhe ab, zieht eine Digitalkamera aus der Hosentasche und fotografiert das Wasser im Wascheimer. Die Lauge ist ziemlich trüb, mehr kann ich nicht erkennen. Klick, klick. Manche Leute haben ungewöhnliche Hobbys.
    »Hier herrschen vielleicht Zustände!«
    Jörg begrüßt Otto und mich mit tiefem Seufzer und Augenrollen Richtung Toskana-Palast.
    »Alles voller Staubmilben. Der Vermieter macht jedes halbe Jahr eine Ordnungskontrolle, aber so eine Sauerei, die wird dann einfach ignoriert.«
    »Großputz?«
    »Nutzt ja nichts. Muss man alles selber machen. Hier schert sich ja niemand drum. Dass andere Leute so im Dreck leben können!«
    Er zeigt auf die Gardinen in der Einfahrt.
    »Die musste ich über Nacht einweichen.« Er sagt es so, als ob sich mit der Plackerei Pokale gewinnen ließen.
    »Wofür machst du die Fotos?«, frage ich. »Willst du was im Internet versteigern?«
    »Die Bilder? Die kriegt der Vermieter vorgelegt. Das muss alles schriftlich und mit Beweisfotos festgehalten werden.«
    »Beweis …?«
    »Dafür, dass wir hier erst mal richtig Grund reinbringen. Alles blitzblank machen.«
    »Klar. Sieht man.«
    Ich winke Eva zu. Sie ist ebenfalls mit Gummihandschuhen bewaffnet und schrubbt im Hintergrund die Terrasse.
    »Wenn er die Teppichreinigung nicht wiederholt, wird ratzfatz die Miete gekürzt. Ich meine – wo sind wir denn hier?« Jörg Olewski erwartet keine Antwort, sondern kratzt selbstgefällig sein Bärtchen. »Und der Vertrag, das ist ja nur ein Wisch, ein echter Witz. Da fehlen die wichtigsten Paragrafen. Erzähl das mal meinem Mieterverein in Klein-Machnow. Da war ich zweiter Vorsitzender.« Wieder schlägt er diesen Pokalgewinnerton an. »Mit uns war echt nicht zu spaßen, schon gar nicht bei Teppichmilben. Ich sag dir, wenn meine Tochter eine Allergie bekommt, gibt’s sofort eine Anzeige.«
    »Dürfen wir denn reinkommen?«
    Ich wollte eigentlich zu Eva, nicht zum Mieter- und Milbenverein Sumner. Was ich vom Teppich im Flur sehen kann, sieht einwandfrei aus. Keine Parasiten springen mich an. Schon interessant, womit man seinen freien Samstag verbringen kann.
    Jörg ist mir ins Haus gefolgt. Er meckert weiter.
    »Keine Klingel, natürlich, und einen richtigen Flur kennen sie hier ja auch nicht. Noch nie was von einer Garderobe gehört, die Kiwis. Da läuft man schön von draußen mit dreckigen Stiefeln und Mantel direkt ins Wohnzimmer und bringt den ganzen Schmutz mit rein.«
    Er streift sich seine nassen Spülhandschuhe ab und legt sie auf ein Stück Küchenkrepp, um die Anrichte nicht zu benetzen.
    »Ich meine, stell dir das mal in Deutschland vor! Und erklär mir mal, warum all die alten Häuser hier immer Teppich im Bad haben. Total unhygienisch. Na, wem sag ich das. Ihr wohnt doch in Lyttelton?«
    »Toller Blick«, sage

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