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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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ich. »All die Fenster. Und Wandschränke, wie praktisch.«
    Vor allem: Wie gut, dass Baxter hier nichts einbauen muss. Der Arme ist noch immer gezeichnet vom Tischlerjob in ›Jägi’s Bakery‹. Letzten Freitag hat er eine Spätschicht eingelegt und noch einen Kollegen dazugeholt, damit der Verkaufstresen auf Wunsch des Jägimeisters vor dem Wochenende fertig würde. Als nach zehn Stunden ohne Pause endlich die letzte Schicht Biowachs aufgetragen und die Sägespäne vom Boden gefegt waren, entdeckte Baxters Kollege im Kühlschrank neben der Hefe ein kühles Sixpack. Da lag der Bäcker schon längst in den Federn. Die Männer tranken jeder ein paar Bier. Am nächsten Morgen war die Freude über den fertigen Tresen nur halb so groß wie der Aufstand um die geleerten Flaschen. »Vertrauensbruch«, »Bereicherung an persönlichem Eigentum«, und »in meiner Firma in Deutschland wäre das ein sofortiger Kündigungsgrund« waren noch die netteren Bemerkungen. Weniger nett war, dass Jörg Olewski sich weigerte, die letzten beiden Arbeitsstunden zu bezahlen. Da hätten die Handwerker ja »nur gesoffen«. Diesmal wurde Baxter, der Dauerentspannte, sauer. Worauf Jörg erwiderte: »Ich kann auch deine Kunden warnen, dass du klaust.«
    Wieso ist die nette Eva nur mit diesem Fiesling zusammen? Es muss am Vollkornbrot liegen. Dafür bringt eine echte Ökofrau sicher einige Opfer.
    Die Bäckersgattin steckt ihren Rotschopf durch die Terrassentür.
    »Hast es also über den Hügel geschafft!«
    Zwischen ihren Beinen drängelt sich ein Mädchen durch. Seine Füße stecken in pinken Crocs, auf dem T-Shirt purzeln Kiwivögel und Delfine durcheinander, und um den Babyspeckhals hängt ein winziger Jadestein an einem Lederbändchen. Sie hat Sommersprossen wie ihre Mutter. Fehlen nur noch Bonsai-Dreadlocks.
    »Mum, will Beach gehn«, quengelt die Kleine in fließendem Denglisch.
    »Lass uns unseren Wagen nehmen«, sagt Eva. »Jörg hat ihn vorhin frisch gewaschen.« Natürlich. Es ist ja Samstag.
    Neben Schebbenberg-Olewskis Einfahrt ist ein wildes Grundstück, von Goldregen überwuchert. Eva zeigt aus dem Auto auf die Büsche.
    »Das muss alles weg, hat Jörg gesagt. Er hat schon an die Gemeindeverwaltung geschrieben, dass die es in Ordnung bringen sollen.«
    »Am besten planieren«, sage ich, »und Waschbeton drüber. Dann Stacheldraht drum.«
    Eva verzieht das Gesicht, aber dann grinst sie.
    Unsere Kinder buddeln im Sand. Eva stellt einen Eimer dazu. Zum Glück ist er nicht mit ihrem Namen beschriftet. Für heute habe ich genug von deutscher Zwanghaftigkeit.
    »Dein Mann ist, äh, ziemlich ordnungsliebend?«, taste ich mich vor, während Sonnenlotion auf mein Bein tropft. Ich muss ja nicht gleich nach alter Richterscher Sitte mit der Tür ins Haus fallen und alles Unangenehme sofort ansprechen. Ein bisschen was habe ich immerhin gelernt. Aber im Gegensatz zu den Kiwis redet Eva gerne Klartext. Ehrlichkeit, diese anstrengende Tugend, ist ihr im Exil noch nicht abhanden gekommen.
    »Jörg hat massive Probleme«, kommt sie gleich zur Sache. »Seitdem wir nach Neuseeland gezogen sind, haben wir ständig Stress. Er hat sich in Golden Bay total verändert.«
    »Wie denn?« Ich strecke mich auf der Decke aus und stelle mir den Analspastiker vor, wie er den Barfußläufern, Batikhemd- und Birkenstockträgern im Hippienest Takaka korrekte Mülltrennung beibringt.
    Eva zupft sich ihren Bikini zurecht. Zur Abwechslung ist er ohne Neuseelanddekor, aber dafür hat ihr Handtuch ein paar Pinguine aufzuweisen. Ich tippe, es sind Gelbaugenpinguine, denn die sind vom Aussterben bedroht.
    »Zu Hause in Berlin hatte er einen großen Betrieb. Aber ihm wurde das alles zu viel. Das frühe Aufstehen, die ganzen Zwänge, weißt du, immer nur an die Altersversicherung denken. Es war seine Idee wegzugehen. Eigentlich ist er ein freiheitsliebender Mensch, so ein bisschen verrückt, voller Träume und Abenteuer.« Genau mein Eindruck.
    »Aber dann kam er nicht damit zurecht, dass er hier wieder ganz klein anfangen musste«, sagt Eva. »Auf ihn hat hier keiner gewartet. Dann all die Bürokratie. Und dass er für die Kiwis erst mal nur ›The German‹ war. Alles war anders, als er es kannte.«
    »Anders ist ja nicht automatisch falsch. Nur anders.«
    »Er misst aber alles an Deutschland, und daher ist es für ihn verkehrt.« Sie zerdrückt ein vertrocknetes Stück Alge. »Sein Englisch war anfangs auch nicht so gut. Das ist frustrierend, wenn man sich nie ganz

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