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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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richtig ausdrücken kann. Seinen Humor hat daher niemand kapiert.« Humor?
    »Wahrscheinlich fühlt er sich verkannt«, sage ich. »Ist ja auch nicht leicht, wenn man immer das Gefühl hat, dass ein Stück von einem fehlt.«
    »Als ob man amputiert wäre.« Eva seufzt. Sie kennt diesen Phantomschmerz offensichtlich. »Aber er weiß immer alles besser. Und das muss er jedem auf die Nase binden. Er hat sich im Bioladen aufgeführt, wenn sie nur ›organic‹ aufs Schild neben sein Brot geschrieben haben und nicht ›zertifiziert‹. Oder wenn sie die Lieferung einen Tag zu spät bezahlten. Im Kindergarten und im Schwimmbad hat er darauf bestanden, dass vor jeder Tür eine Fußmatte liegen muss. Solche Sachen hat er durchgeboxt, mit Anträgen und Beschwerden. Die kannten ihn schon bei der Stadtverwaltung in Nelson. Und wie er mit den Leuten umgesprungen ist!«
    Ich kann’s mir lebhaft vorstellen. Korrigieren und kritisieren tut ein Kiwi schon aus Takt und Höflichkeit nicht. Ganz im Gegensatz zu unsereins. Jägis Auftritt klingt nach guter germanischer Schule.
    Eva redet sich in Fahrt. Der aufgestaute Einwanderungsfrust von fast drei Jahren entlädt sich. Ich fühle mich wie eine Gesprächstherapeutin.
    »Warum seid ihr denn nach Christchurch umgezogen?«
    »Weil Jörg meint, dass man in Golden Bay keine anständigen Angestellten finden kann. Zu schlechte Arbeitsmoral.« Das Wort habe ich lange nicht mehr gehört. Den Geruch von Freiheit und Abenteuer verströmt es nicht. Eher klingt es, als ob Jörg Olewski zwischen zwei Stühlen sitzt. Und das zermürbt auf Dauer.
    »Habt ihr jemals überlegt, nach Berlin zurückzugehen?«, frage ich. Otto tritt gerade Takakas Sandburg zusammen. Evas Züge verhärten sich.
    »Er ja, aber ich nicht. Klar, ich finde viele Kiwis oberflächlich und gleichgültig. Man darf nie über Ernstes reden. Und mir fehlen meine alten Freunde. Aber ich habe hier etwas gefunden, das ich niemals in Deutschland hätte.«
    Ihre Augen sind plötzlich feucht. Ich denke an das Mietshaus mit Meerblick oben in Sumner. Aber das meint sie nicht.
    »Dieser Zusammenhalt der Leute untereinander. Sumner und Lyttelton – das sind noch richtige Communities. Und wie Takaka hier aufwachsen kann, so natürlich, mit der Maori-Kultur, und ohne all den Druck, den die Kinder in Deutschland haben …« Ihre Stimme schweift ab. Dann fängt sie sich wieder. »Aber Jörg findet es unmöglich, dass es hier kaum Hausaufgaben gibt und so wenig kontrolliert wird. Dass die Kinder in der Grundschule manchmal zehn Minuten durch die Klasse laufen, bevor der Unterricht losgeht.«
    »Da wird er sich aber noch umschauen. Viele Leute nehmen im Winter einfach ihre Kinder aus der Schule, um mit ihnen nach Europa zu fliegen oder Ski zu fahren. Dafür wirst du in Deutschland doch fast verhaftet. Manche steigen sogar für ein ganzes Jahr aus.«
    Eva nickt. »Ich wünschte, wir würden auch mal in die Berge fahren. Aber Jörg will ja erst drei Filialen aufbauen, bevor er Urlaub macht.«
    Ich habe das Gefühl, da kommt noch was.
    »Aber das Allerschlimmste«, sie holt hörbar Luft und streicht ihr Handtuch glatt, »ist die Sache mit dem Fernsehen.«
    »Regt er sich darüber auch auf?« Da würde ich Jörg Olewski glatt recht geben. Die drei hausgemachten TV -Programme sind wirklich überholungsbedürftig. Erfrischend anders ist nur Maori TV, der jüngste Sender des Landes. Aber Eva meint das deutsche Fernsehen.
    »Er hat sich bei einem dieser Idiotensender für eine Auswanderersendung beworben. Du weißt, diese peinlichen Doku-Soaps, wo sich irgendwelche Deppen im Ausland blamieren.«
    Das gucken jedes Mal eine Million Zuschauer. Ich denke an die drei geplanten Filialen.
    »Vielleicht will er seinen Leuten zu Hause beweisen, wie toll er es hier geschafft hat?«
    »Mir egal. Ich sag dir: Das kann er machen, aber ohne mich. Die verdrehen einem das Wort und schneiden alles irgendwie zusammen, damit es dramatischer klingt. Das ist für mich ein sofortiger Trennungsgrund.«
    Es klingt, als ob sie den Absprung geradezu herbeisehnt. Keine Ahnung, was da genau bei Schebbenberg-Olewskis abläuft, aber sicher nichts Gutes.
    »Du warst doch auch beim Fernsehen, oder?«, will sie wissen. »Was hast du denn noch so in Deutschland gemacht?«
    Ich traue mich kaum, Eva von LAX zu erzählen, geschweige denn der Zeit davor. Wahrscheinlich hält sie ›Schrot & Korn‹ für das einzig akzeptable Druckerzeugnis. Aber ich habe mich getäuscht.
    »Was, du hast

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