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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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eine mentholhaltige Halspastille, »das ist meine Frau, Jocelyn.«
    Das hagere Wesen an seiner Seite ist in ein lachsfarbenes Mieder aus Pionierzeiten gepresst. Die Engländerin erinnert mich an die Backpflaumen im Speckmantel, die ich damals den Assistenzärzten zum Aperitif serviert habe.
    »Nice to meet you«, schnarrt sie und hält mir eine manikürte Hand hin. »Ich habe so viel von Ihnen gehört!«
    Jocelyn Dickinson ist von ausgesuchter Höflichkeit, aber im Vergleich zu den warmherzigen Krankenschwestern so trocken wie ein Martini. Mit Eisrand. Es folgt das naheliegende »Und-was-machen-Sie-so?«
    »Auslandskorrespondentin«, sage ich und bereue es sofort – es klingt nach mehr, als es wirklich ist. Angeben ist eine weitere Todsünde, die man in diesem Land begehen kann. Dafür gibt es sogar ein Wort, dass nur in Neuseeland und Australien existiert: skiting. Hat mit Skiern nichts zu tun. Vielleicht sollte ich aber übers Skifahren reden, das ist immer ein sicheres Terrain. Mit der Arztgattin lässt sich sicher gepflegte Konversation betreiben. Ich brauche eine kleine Pause von all den Plumpsklowitzen.
    »Ach, Journalistin?« Sie klingt interessiert. »Schreiben Sie auch für diese deutsche Zeitung, wie heißt sie noch – ›Der Stürmer‹?«
    Ich kann kaum antworten. Presse nur hervor: »Über 60 Jahre her. Andere Regierung. Führer tot.«
    Der Rest des Abends verschwimmt mit viel Alkohol und wenig Konversation mit den Dickinsons. Dafür vier weitere HDYLNZ -Fragesteller, vielleicht auch mehr. Eine Laborantin verwickelt uns in ein interessantes Gespräch über Komposttoiletten der Marke ›Wormorator‹. Eine Behörde in Auckland hat entschieden, dass ein psychologisches Gutachten der Würmer erstellt werden muss, bevor man ihnen Fäkalien zumuten darf. Aber vielleicht habe ich es auch falsch verstanden. Buzzy Bee und Peter Jackson liefern sich ein hitziges Wortgefecht. Es geht darum, ob Vegemite besser schmeckt als Marmite.
    Es ist dann doch noch ein sehr lustiges Fest geworden. Irgendwann habe ich mit den anderen die Arme hochgerissen und im Chor gebrüllt: »Kiwi, Kiwi, Kiwi – Oi, Oi, Oi!« Auf dem Rückweg nicke ich im Auto auf meiner Lamingtonhaut ein, in der Hand ein All-Blacks-Fähnchen. Lukas behauptet, er habe Schafe in Ekstase blöken gehört.

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    Wir lieben die Stürme
    HEUTE FRÜH IST Lukas mit Jakob in den Baumarkt gefahren. Das war schon immer einer ihrer liebsten Ausflüge. Neu ist diesmal, dass nicht nur ein paar Schrauben besorgt werden. Baxter hat gestern Abend angerufen und Lukas zusammen mit drei anderen Männern zur ›working bee‹ eingeladen. In seinem Garten müssen an diesem Wochenende Bäume gefällt werden. ›Arbeitsbiene‹ bedeutet, dass jeder kommt und mit anpackt. Eine antipodische Tradition, die verbindet, den Bierkonsum fördert und reihum für kostenlose Arbeitskräfte sorgt. Baxter hat natürlich vorausgesetzt, dass Lukas als HEUTE FRÜH IST -Chromosom-Träger eine Motorsäge besitzt. Um sich nicht noch einmal der Blöße preiszugeben, muss mein Mann mal eben schnell einkaufen.
    Otto klettert draußen im Garten den knorrigen Ngaio-Baum hoch und verschwindet im Baumhaus. Ich habe ungestört Zeit für die wichtigste Arbeit einer Korrespondentin: in der Lokalpresse nach Themen stöbern. Der größte Aufreger von heute ist ein Ortsname. Nein, nicht Taumatawhakatangihangakoauauotamateaturipukakapikimaungahoronukupokaiwhenuakitanatahu. Der Bürgermeister von Wanganui weigert sich, seine Stadt in ›Whanganui‹ umzubenennen. Letzterer ist der historisch korrekte Maori-Name und daher ein Politikum. Dass neuseeländische Soldaten jetzt in Afghanistan der US -Armee zur Hand gehen, beschäftigt die Nation nur halb so sehr wie der Kampf ums kleine H. Das ist das Privileg einer friedfertigen Nation.
    Meine Prioritäten waren auch mal anders geartet. Denn dummerweise wird man, wenn man einmal Showredakteurin war, nicht sofort Kriegsreporterin. Davon träumte ich damals in den Anfangsjahren immer noch. Aber mein Weg aus den Untiefen des Boulevards führte mich nicht nach Tadschikistan, sondern zu Talkshows. Zuerst landete ich tatsächlich in einem Krisengebiet: bei einem Hamburger Lifestylemagazin. LAX war fast so großformatig wie die LAX -Zeitung. Man konnte sich also prima in der Straßenbahn dahinter verstecken, musste sich aber nicht so arg dafür schämen. LAX war zwar lange nicht so avantgardistisch und subversiv wie das legendäre LAX, aber

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