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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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nämlich die Tohunga, Bewohner der tropischen Insel Mata Nui. Tohunga ist das Maori-Wort für Priester. Da blinkten bei den Opfern höchster Rassismusalarm und beim Anwalt das Dollarzeichen. Der Raub hält auch 240 Jahre nach Käpt’n Cook an!
    Mit Hilfe des Anwalts lehnten sich drei Maori-Stämme gegen den Profitmacher in Dänemark auf. Nicht mit dem Kriegsbeil, sondern dank des Rechts auf geistiges Eigentum. Gekämpft wurde auf allen Ebenen. Ein Hacker brachte den Server der Bionicle-Webseite kurz vor den Kollaps. Ob es am Cyberterror oder am Geschick des Anwalts lag: Auf jeden Fall erklärte sich Lego bereit, zukünftig polynesisches Kulturgut im bionischen Sortiment angemessen zu behandeln.
    »Da dürfte ein hübsches Sümmchen geflossen sein«, sage ich zum Anwalt, während unsere Maschine auf der Landebahn zum Stehen kommt. Der Anwalt lächelt vielsagend. Statt einer Antwort verrät er, dass letzte Woche die Bionicle-Krieger Toa Pohatu und Toa Kopaka im Internet von 17,99 auf 8,99 Dollar reduziert worden sind.
    »Eine Abwertung um die Hälfte. Das könnte man durchaus als Demütigung betrachten.« Er erhebt sich und greift nach seiner Aktentasche. »Das Friedensabkommen zwischen beiden Parteien ist auf Dauer nicht gefestigt.«
    Als ich vor dem Beehive stehe, bin ich etwas aufgeregt. Man betritt ja auch nicht einfach so das Weiße Haus. Daher habe ich vorher mit Claude die Sicherheitsmaßnahmen abgeklärt. Als Ausländerin mit beschränkter Aufenthaltsgenehmigung kann man gar nicht vorsichtig genug sein.
    »Du gehst zum Eingang«, hat sie gesagt. »Da sitzt ein Mann, der schnell den ›Playboy‹ wegschiebt. Dem gibst du Jonys Durchwahl und buchstabierst seinen Namen. Der Pförtner hat Schwierigkeiten mit dem Alphabet.«
    Zehn Minuten später kommt eine SMS mit genaueren Instruktionen. »Sorry, das Magazin heißt ›Ralph‹.«
    Ich bin gewappnet. Dezenter Mantel, Pass dabei, keine Waffen oder Drogen. Bisher läuft alles problemlos. Ich gehe auf die automatische Schiebetür zu. Keine Absperrungen oder Posten davor, nicht mal ein Streifenwagen. Vielleicht habe ich mich im Eingang geirrt?
    Im Glaskasten sitzt ein Mann, der bei jeder Grundschule im Rheinland Hausmeister sein könnte. Schiebt er nicht irgendetwas unter seine Papiere, das nach ›Hustler‹ aussieht? Claude sollte sich Gedrucktes besser merken, bei so einem wichtigen Job, wie dieser Jonathan ihn hat. Der Pförtner lächelt gemütlich, es ist ja auch kurz vor Feierabend, und fragt: »Wo geht’s denn hin, meine Liebe?«
    Mehr nicht. Dabei könnte ich ja sonst wer sein. Warum verlangt er nicht, dass ich mich ausweise und ihm Kontakte zur Unterstützerszene zukünftiger verbotener Organisationen gestehe? Ich nenne ihm nur Jonathans Namen.
    »Ach, er war doch so erkältet letzte Woche, der Arme. Wissen Sie zufällig die Durchwahl?«
    Weiß ich, ich habe ja nichts zu verbergen. Er raschelt wieder in seinem Papierhaufen.
    »Hab doch glatt meine Brille vergessen.« Er lacht auf. »Die liegt immer irgendwo anders.«
    Gut, dass wenigstens Claude den Überblick darüber hat, was im Regierungssitz vor sich geht. Sie holt mich am Fahrstuhl ab und stellt mich ihrem Freund vor. Graue Schläfen, scharf gebügeltes Hemd – Jonathan sieht aus wie ein echter Gentleman. Genauso elegant wirken Claudes Bilder an seiner Wand: ein überdimensionales Vogelauge auf dem einen, ein Schnabel in Großaufnahme auf dem anderen.
    »Ein Kereru«, sagt Claude. »Den haben die Maori früher besonders gerne gejagt. War schwer zu fotografieren.«
    Wir betreten den Kabinettraum, der um diese Zeit leer ist. ›Saal‹ wäre wirklich übertrieben. Die Queen lächelt von der Wand. Jeder Minister hat ein Kärtchen an seinem Platz, als ob sich in diesem Land nicht eh jeder beim Vornamen kennt. Ich fasse kurz den Lederstuhl des Premierministers an. Unglaublich, das alles. Aus der Hüfte schieße ich ein Foto mit meinem Handy. Jonathan merkt nichts, oder es ist ihm egal.
    »Heilige Unschuld«, bricht es später aus mir heraus. Wir sitzen in Jonathans Haus in Ocean Bay, das aus Stahl, Glas, schwarzem Holz und teurer Kunst besteht. »Hat denn bei euch niemand vor irgendwas Angst?«
    Claude schaut mich ratlos an und rührt in ihrem Chai. Hinter uns an der mindestens vier Meter hohen Wand hängen eine geflochtene Matte aus Tonga und daneben ein echter Ralph Hotere. Segelboote ziehen unterhalb der Glasfensterwand auf dem Wasser vorbei. Im Hintergrund läuft Musik von The Phoenix Foundation, der

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