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Was sich kusst das liebt sich

Was sich kusst das liebt sich

Titel: Was sich kusst das liebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manning Sarra
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auf, ja?«, unterbrach Neve sie rasch. Diese Gespräche machten ihr stets schmerzlich bewusst, wie weit die Erwartungen ihrer Mutter von ihrer beruflichen Realität entfernt waren.
    Sie setzten sich mit dem Tee ins Wohnzimmer, das früher das Elternschlafzimmer gewesen war und wie das Gästezimmer in Spanien in den Herbsttönen eingerichtet war, die ihre Mutter so liebte: rostroter Teppich, braune Sitzgarnitur und orangefarbene Vorhänge, deren Anblick Neve auf Dauer Augenschmerzen bescherte.
    » Willst du wirklich keine Kekse?«, fragte Mrs Slater zum wiederholten Male. » Einer kann doch nicht schaden. Gönn dir mal was.«
    Es gab ihre Lieblingskekse, die in Schokolade getunkten aus Vollkornmehl, von denen sie früher eine ganze Packung auf einmal gefuttert hatte. Doch Neve schüttelte den Kopf und knabberte weiter an dem Proteinriegel, den sie ganz unten in ihrer Handtasche entdeckt hatte.
    Mrs Slater ließ verzweifelt den Blick schweifen, und Neve wusste, dass sie sich das Hirn nach einem Gesprächsthema zermarterte, um nicht über ihre sexuellen Eskapaden reden zu müssen. Nicht, dass sie selbst so scharf darauf gewesen wäre. Vielen Dank auch, Celia.
    » Hab ich dir schon erzählt, dass Auntie Catherine schreckliche Probleme mit ihrem Darm…«
    » Komm schon, Mum, bringen wir’s hinter uns«, unterbrach Neve sie ruhig, obwohl sie alles andere als ruhig war. » Ich bin mit jemandem zusammen, der sehr nett ist, aber es ist nichts Ernstes, und deshalb habe ich es euch verschwiegen.«
    » Warum ist es nichts Ernstes?«, wollte ihre Mutter wissen. Auf ihren Wangen erschienen zwei kleine rote Flecken. » Du bist ein wunderschönes Mädchen. Er sollte bis über beide Ohren in dich verliebt sein.«
    Neve hatte keine Ahnung, wer diese tolle, superintelligente junge Frau war, von der ihre Mutter sprach, aber sie wäre gern ein bisschen mehr wie sie gewesen. » Es ist nichts Ernstes, weil er mich nicht liebt und ich ihn auch nicht. Ich liebe einen anderen Mann… William«, sagte sie tollkühn, weil es sich so anfühlte, als würde sie das Schicksal herausfordern, wenn sie auch nur seinen Namen aussprach. Allerdings fiel ihr bei dieser Gelegenheit auf, dass sie heute kaum an William gedacht hatte, was ihr seltsam vorkam. Und falsch. Vor nicht allzu langer Zeit hatte ihr erster Gedanke morgens beim Aufstehen stets ihm gegolten, und meist hatte sie sich noch vor dem Zähneputzen nach unten geschlichen, um nachzusehen, ob ein Brief von ihm gekommen war.
    Aber ihre Mutter schien noch weniger als sie an William gedacht zu haben. » Welcher William? Ist er einer deiner Freunde aus der Bücherei?«
    » Es ist ein Archiv… William! William aus Oxford, der mich einmal hierhergefahren hat, als ich meinen Aufsatz vergessen hatte. Er ist damals zum Abendessen geblieben.« Mrs Slater konnte sich offenbar nicht erinnern. » Und als ich im dritten Semester war, kam er nach Weihnachten vorbei, und du hast ihm ein Truthahnsandwich gemacht. Und bei meiner Uniabschlussfeier hat er dir einen Brandy gebracht, nachdem du erwähnt hattest, dass du nervös bist, weil keine der anderen Mütter einen Hut aufhatte.«
    » Ach, der William.«
    Neve stellte ihre Tasse ab. » Was soll denn dieser Tonfall? Er war immer sehr zuvorkommend zu dir.«
    » Ja, das schon, zugegeben. Er hatte gute Manieren, aber…« Ihre Mutter zögerte, was sehr untypisch für sie war. » Findest du nicht, dass er… nun ja… in einer etwas anderen Liga spielt?«
    » Was soll denn das jetzt heißen? Eben hast du noch behauptet, ich wäre wunderschön! Ich weiß, dass William sehr attraktiv ist, aber das, was uns verbindet, geht viel tiefer. Es spielt sich nicht auf der ästhetischen Ebene ab.«
    » Komm mir nicht mit solchen hochgestochenen Ausdrücken, ja?« Ihre Mutter sah aus, als würde sie es zum ersten Mal in ihrem Leben bereuen, dass sie immer so frei von der Leber weg redete. » Du bist ein sehr hübsches Mädchen, Neve, aber Männer wie William suchen sich keine Frauen wie dich, und das hat nichts mit dem Aussehen zu tun, sondern mit der Herkunft.«
    » Ich komme aus Finsbury Park, William aus Fulham. Na und? Das hat doch nichts zu sagen.«
    » Er gehört der feinen Gesellschaft an und du nicht. Ich weiß, du drückst dich sehr gewählt aus, und ich habe keine Ahnung, wie das kommt, wo du doch auf dieser schrecklichen Schule warst und dein Vater spricht, als wäre er in einem Kohlebergwerk aufgewachsen. Egal, du gehörst zur Arbeiterklasse, und dieser William…

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