Was sich kusst das liebt sich
Was machen seine Eltern denn beruflich?«
Neve hätte nur zu gern darauf hingewiesen, dass man als Besitzer von zwei Reihenhäusern in London, einem Landhaus in Yorkshire und einer Villa in Spanien unbestreitbar der gehobenen Mittelschicht angehörte, ob es einem gefiel oder nicht, aber sie wusste, ihre Mutter würde ihr nur wieder mit dem Bergarbeiterstreik und der Großen Hungersnot in Irland kommen, und damit, dass man sich für seine Wurzeln nicht zu schämen brauchte.
» Sein Vater ist Jurist«, gab sie zu, behielt jedoch für sich, dass er den Titel Kronanwalt trug. » Und seine Mutter ist Ärztin.«
» Siehst du? Ich wette, er war auf einer teuren Privatschule, und nach dem Abendessen gibt es bei ihnen kein Dessert, sondern eine Käseplatte.« Ihre Mutter lächelte grimmig. » Es würde niemals funktionieren.«
» Nun, bei mir gibt es auch kein Dessert, deshalb bin ich sicher, dass es mit Will und mir ganz prima laufen wird.«
» Wenn du dir da so sicher bist, warum lässt du dich dann mit diesem anderen ein? Wie heißt er überhaupt?«
Zum ungefähr hundertsten Mal versuchte Neve, ihr Arrangement mit Max zu erklären, obwohl ihrer Mutter eigentlich sonnenklar sein musste, dass sie null Beziehungserfahrung hatte. » Ich will einfach, dass es mit William dann perfekt läuft. Mit Max bereite ich mich darauf vor, wie auf eine große Prüfung.«
» Du… Also… Was…? Hast du eigentlich noch alle Tassen im Schrank? So einen Unsinn habe ich ja noch nie gehört. Auf eine Beziehung kann man sich nicht vorbereiten, und es gibt auch keine perfekten Beziehungen. So etwas ist immer harte Arbeit«, sagte Mrs Slater. » Im ersten Ehejahr haben dein Dad und ich uns ständig gestritten. Einmal habe ich sogar die Butterdose nach ihm geworfen.« Bei der Erwähnung ihres Vaters wurde Neve flau im Magen. Dieses Thema stand als Nächstes auf ihrer Tagesordnung. » Ich weiß, dass eine Beziehung harte Arbeit ist, aber die meisten Mädchen in meinem Alter haben bereits viel mehr Erfahrung und wissen, wie man es richtig macht.«
» Ich hätte nicht gedacht, dass du dich überhaupt für so etwas interessierst. Ich hatte angenommen, du kommst nach Großtante Sinead.«
» Das kann man doch nicht vergleichen! Sie ist Nonne, ich war fettleibig«, entgegnete Neve empört. » Und sie mag ja ganz nett sein, aber ich bin total anders als sie!« Ehrlich gesagt fand sie Großtante Sinead ziemlich unsympathisch und gemein, und Celia meinte oft, sie wäre wahrscheinlich netter, wenn sie hin und wieder einen Quickie und ein paar Gläser Jack Daniel’s bekäme.
» Ich hoffe nur, du passt auf dich auf… Du weißt schon… beim…«
» Darüber musst du dir wirklich nicht den Kopf zerbrechen, Mum«, versicherte ihr Neve hastig.
» Ich weiß, ihr Kinder haltet mich für altmodisch, aber du solltest das Wertvollste, das du einem Mann– idealerweise deinem Ehemann– schenken kannst, nicht einfach verschleudern, nur weil dich dieser Max– oder meinetwegen auch William– unter Druck setzt. Wenn es nämlich erst einmal passiert ist, gibt es kein Zurück mehr.«
Noch vor einem Jahr, als sich Neve niemals hätte träumen lassen, dass sie je in ein Kleidungsstück Größe48 passen würde, hätte sie ihrer Mutter recht gegeben. Doch nun, da sowohl die mystische 38 als auch eine Beziehung allmählich in greifbare Nähe rückten, stellte sie fest, dass ihr wertvolles Geschenk eher eines der Hindernisse war, die es zu überwinden galt. Außerdem hätten die meisten Männer, die sie kannte, einen iPad oder einen Plasmafernseher dem wertvollen Geschenk ihrer Jungfräulichkeit eindeutig vorgezogen. » Ich weiß, Mum.« Sie musste das Thema wechseln, aber wie?
» Dann tu mit diesem Max nichts, das du später vielleicht bereuen könntest«, beharrte ihre Mutter.
» Es geht überhaupt nicht um Max«, erklärte Neve, denn Max war für sie nun einmal bloß Mittel zum Zweck. Und das Ziel, das sie damit erreichen wollte, hieß William. » Es geht um William. Ich… Nun, ich liebe ihn, und es kommt mir so vor, als würde ein Teil von mir fehlen, seit er weg ist. Aber sobald er zurückkommt, wird alles anders. Besser.«
» Dasselbe hast du über das Abnehmen gesagt«, erinnerte ihre Mutter sie scharf, begleitet von einem gestrengen Blick. » Und, ist nicht schon vieles besser geworden?«
» Natürlich, aber wenn ich erst einmal Größe38 tragen kann und mit William zusammen bin, dann wird alles perfekt sein.« Neve hatte prompt ein Bild von einem
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