Was sich kusst das liebt sich
Mist, wie sollte sie es in einer halben Stunde von Marble Arch zum südlichen Themseufer schaffen, und das am Freitagabend zur Rushhour?
» Celia, Mädels, tausend Dank«, sagte sie hastig. » Ich werde mich erkenntlich zeigen, aber jetzt muss ich los. Die Bakerloo Line ist bestimmt brechend voll.«
Das war allerdings völlig unerheblich, denn die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel war strengstens verboten, wenn man geborgte Designerkleidung trug.
Celia ging mit Neve nach unten, um ihr beim Auftreiben eines Taxis behilflich zu sein, was gar nicht nötig war, denn kaum hatte Neve die Hand hochgehoben, vollführte eine der schwarzen Karossen eine illegale 180-Grad-Wende und hielt vor ihr am Straßenrand.
» Danke, danke, danke«, keuchte Neve und riss die Tür auf.
» Okay, okay, jetzt hast du dich ausreichend bedankt.« Celia zog die Nase hoch und umarmte Neve. » Also, denk daran: Diäten und Entschlackungskuren sind Tabuthemen. Halt dich lieber an langweilige Bücher von verstorbenen Schriftstellern, dann wird er dir garantiert aus der Hand fressen.«
Sie hielten den Verkehr auf, also schloss Neve hastig die Tür und lehnte sich zurück. Celia stand mit einem irren Grinsen im Gesicht am Gehsteigrand und winkte ihr nach.
Nun, da Neve fertig gestylt und gezwungen war, tatenlos herumzusitzen, bis es an der Zeit war, sich ihrem Schicksal zu stellen, meldeten sich ihre Zweifel. In den vergangenen Monaten war William, ihr vormals einziger Daseinszweck, immer weiter in den Hintergrund gerückt und zu einer Angelegenheit geworden, mit der sie sich irgendwann in der Zukunft auseinandersetzen würde.
Jetzt war diese Zukunft gekommen, und anstatt sich Themen zu überlegen, über die sie mit William reden wollte, konnte sie nur an Max denken.
Als sie Celia vorhin durch die Büros nach draußen gefolgt war, hatte sie einen Schreibtisch passiert, über dem an der Wand ein großes Bild von einem Staffordshire Bullterrier hing: Keith, der wenig begeistert für ein Foto posierte. Die Sehnsucht nach ihm hatte ihr prompt einen Stich versetzt. Am liebsten wäre sie stehen geblieben, um die Dinge zu berühren, die Max berührte und die er sah, wann immer er an diesem Tisch saß. Sie wollte die Finger über die ordentlichen Zeitschriftenstapel, das signierte Schwarz-Weiß-Foto von Madonna und die glitzernden rosaroten Buchrücken der WAG -Romane gleiten lassen, auf denen eine Tube Haargel lag. Doch Celia hatte ihr die Hand aufs Kreuz gelegt und sie weiter zum Fahrstuhl geschoben. Keine Zeit für Max.
Und überhaupt sollte sie jetzt nur noch an William denken. Max war nur ihr Probe-Freund gewesen, zum Aufwärmen, damit sie einige elementare Beziehungsfehler machen und daraus lernen konnte. Eigentlich musste die Beziehung mit William ein Kinderspiel werden, nach all den Fehlern, die sie mit Max gemacht hatte. Sie musste ganz einfach etwas daraus gelernt haben, denn sonst hatten ihr die vergangenen Monate nichts weiter eingebracht als ein arg in Mitleidenschaft gezogenes Herz.
Der Taxifahrer war nicht nur ein großer Fan illegaler Manöver, er hatte zudem seiner » besseren Hälfte versprochen, um Punkt halb acht in Poplar aufzuschlagen«, und er setzte Neve um zehn vor sieben am Hintereingang der Royal Festival Hall ab. Ihr blieb also noch genügend Zeit, um sich auf der Toilette davon zu überzeugen, dass ihr Make-up nach wie vor frisch und natürlich aussah, wenngleich ihre gewellte Mähne bereits erste Ermüdungserscheinungen zeigte. Dann nahm sie die Treppe in die sechste Etage in Angriff, ganz gemächlich, damit sie nicht total verschwitzt oben ankam.
Ihre Hände zitterten nicht, als sie vor dem Empfangspult stand, aber ihre Zehen krümmten sich in den geliehenen Sandalen, und sie hatte Schwierigkeiten beim Ausatmen. Und beim Einatmen ebenfalls.
Ein Angestellter kam zu ihr, und sie würgte Williams Namen hervor und war überrascht, dass sie in der Lage war, einen Fuß vor den anderen zu setzen und dem Kellner durch den langen, hellen Raum zu folgen.
Ihr Blick war starr auf den Rücken vor ihr gerichtet, und als der Kellner an einem der Tische an der Fensterfront anhielt, spähte sie ihm scheu über die Schulter. Und da war er; ihr William. Er faltete seelenruhig die Times zusammen und sah ihr direkt ins Gesicht.
Kapitel 40
» Du lieber Himmel!«, entfuhr es ihm, und gleich noch einmal. » Du lieber Himmel.«
Der Kellner entschwand, sodass sich Neve hinter niemandem mehr verstecken konnte. Sie hatte sich noch nie
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