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Was sich kusst das liebt sich

Was sich kusst das liebt sich

Titel: Was sich kusst das liebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manning Sarra
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derart exponiert und verletzlich gefühlt, nicht einmal vorhin auf der Liege der Depiladora oder damals, als sie im Hotelzimmer nackt vor Max gestanden hatte.
    Sie hob kraftlos die Hand und winkte halbherzig. Dann beschloss sie, Williams verdatterte Miene ganz bewusst zu genießen, denn seine Erschütterung über ihre Verwandlung war der Beweis dafür, dass sich all ihre Anstrengungen gelohnt hatten– die unzähligen Trainingssessions am frühen Morgen, der Verzicht auf Kuchen, Schokolade und Süßigkeiten, selbst die grauenhafte Saftkur.
    William ließ mehrmals den Blick über sie gleiten, vom Kopf bis zu den (immer noch verkrampften) Zehen und wieder zurück.
    » Da bin ich«, krächzte sie schließlich, weil er nichts sagte, und er zuckte zusammen, als müsste er sich bewusst aus seiner Schockstarre lösen.
    Dann erhob er sich geschmeidig. » Ja, da bist du endlich.« Er legte ihr einen kurzen, aufregenden Moment lang die Hand auf die Taille und streifte zur Begrüßung mit den Lippen ihre Wange. » Entschuldige, ich habe dich nicht gleich erkannt. Hast du eine neue Frisur?«
    Neve tätschelte ihre Mähne, die minütlich weniger wuschelig wirkte. » Ähm, ja«, sagte sie, während William ihr den Stuhl zurechtrückte, damit sie sich setzen konnte. Sie hatte ja nicht erwartet, dass er sie fragen würde, wie viel genau sie abgenommen hatte, aber seine Bemerkung über ihre Frisur erschien ihr doch etwas scheinheilig. Doch dann setzte er sich und schenkte ihr ein warmes, aufrichtiges Lächeln, als wäre seine Welt endlich wieder in Ordnung, nur weil sie ihm gegenübersaß. Er hatte sie bloß nicht in Verlegenheit bringen wollen. Es war unhöflich, jemanden auf sein Körpergewicht anzureden.
    Sie erwiderte sein Lächeln, und er legte flüchtig die Hand auf ihre Hand. » Gott, ist das lange her. Zu lange.«
    Er war nicht mehr ganz so attraktiv wie in ihrer Erinnerung, aber er war immer noch ihre goldene Trophäe: Die kalifornische Sonne hatte sein seidiges blondes Haar etwas ausgebleicht, und die Augen wirkten dank der gebräunten Haut noch blauer. Er trug ein blütenweißes Hemd und Jeans, was ihn schnöseliger wirken ließ und nicht mehr so sehr an Wiedersehen mit Brideshead erinnerte wie früher. Er sah aus, als wäre er soeben über einen grünen Rasen in New England spaziert, statt mit der District Line aus Fulham zu kommen.
    » Du hast mir so gefehlt«, sagte Neve, und er lächelte wieder, und in diesem Augenblick wurde alles, das in den vergangenen Monaten geschehen war, unwichtig. Ausgelöscht. Es gab nur noch William. » Drei Jahre, Will. Wag es ja nicht, noch einmal so lange wegzubleiben.«
    » Werde ich nicht. Versprochen.« Er ergriff erneut ihre Hand und hielt sie fest, während er einem Kellner winkte. » Sollen wir uns ein Glas Champagner gönnen?«
    Neve war noch immer übel vor Aufregung, und etwas Alkohol hätte zweifellos beruhigend gewirkt. Aber sie hatte sich wochenlang nur von Saft ernährt und wollte nicht riskieren, dass sie sich nach zwei Schlucken die Kleider vom Leib riss und einen Siegestanz aufführte. Schade, es wäre schön gewesen, auf ihre gemeinsame Zukunft anzustoßen und ihm dabei tief in die Augen zu blicken. » Für mich nur Wasser«, sagte sie. » Und dazu vier halbe Zitronen.«
    Nach seinen drei Jahren in LA war William über ihre seltsame Getränkewahl nicht im Mindesten überrascht, sondern murmelte lediglich: » Du warst ja schon immer ein bisschen anders«, als sie die Zitronen über ihrem Glas ausquetschte, bis das Wasser trüb wurde.
    Bei ihm klangen ihre Marotten nicht neurotisch, sondern liebenswert, dachte Neve dankbar und nahm einen Schluck. » Also, wie ist es dir ergangen? Erzähl mir alles.«
    Er begann zu reden, und nach einer Minute lehnte sie sich zurück und entspannte sich endlich. Sie kicherte ein wenig, als William ihr einen seiner Studenten beschrieb, und nickte mitfühlend, als er ihr die Kämpfe schilderte, die er mit seinem Dekan ausgefochten hatte.
    Dann sprach er eine Weile über lyrische Poesie, während Neve versuchte, die kaum merkliche Bewegung des Riesenrads draußen vor dem Fenster zu verfolgen und dabei gelegentlich auf ihrem Sessel hin und her rutschte. Es war diese dämliche Entschlackungskur– sie hätte vor Stunden ihren nächsten Saft trinken sollen. Kein Wunder, dass sie so abgelenkt war. Sie richtete sich auf, riss die Augen auf und konzentrierte sich wieder auf das, was William sagte.
    » Und kann man die faschistische Ideologie bei Ezra

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