Was sich kusst das liebt sich
leeren Magen floss.
Die beiden verfolgten es nervös, als würde ihr künftiges Eheglück von Neves Reaktion abhängen. Nun, was brachte es denn, verbittert oder eifersüchtig zu sein, wo sie doch bereits jegliche Ansprüche auf William aufgegeben hatte?
Sie hob das Glas, sodass sich der Wein im Schein des spektakulären Sonnenuntergangs draußen in flüssiges Gold verwandelte, und sagte: » Herzlichen Glückwunsch. Auf eine lange, glückliche Ehe.«
Amy kicherte wieder, und William atmete erleichtert auf. Er hatte ja auch allen Grund, nervös zu sein, schließlich hatte er in seinem leidenschaftlichen Plädoyer vorhin mit keinem Wort erwähnt, dass sie in Warwickshire das fünfte Rad am Wagen spielen sollte.
» Ich wollte dich überraschen«, sagte er lahm.
» Tja, das ist dir gelungen«, sagte Neve, die schon der erste Schluck Wein in einen benommenen, redseligen Zustand versetzt hatte. » Und es ist eine schöne Überraschung. Woher kennt ihr euch denn?«
Sie hatten sich in dem Café kennengelernt, in dem Amy gearbeitet hatte– nicht, weil sie nebenher Schauspielunterricht genommen oder große Ambitionen gehegt hatte, von einem Talentscout oder einem Agenten entdeckt zu werden, sondern » weil ich dachte: Ist ja eigentlich egal, ob du in Des Moines, Iowa, oder in Hollywood kellnerst«. Amy hatte Williams Bestellung (Chai Latte und Vollkornmuffin) mit der eines anderen Gasts durcheinandergebracht, und es war Liebe auf den ersten Blick gewesen. Er hatte sie auf seine Abschiedsreise von einer literarischen Sehenswürdigeit zur nächsten mitgenommen und festgestellt, dass er es nicht ertragen würde, wenn Amy auf der falschen Seite des Atlantik lebte, weshalb er ihr in Oxford, Mississippi, genauer gesagt im Foyer von Rowan Oak, dem ehemaligen Domizil von William Faulkner, einen Antrag gemacht hatte.
Neve wäre es lieber gewesen, wenn Amy eine unsympathische Tussi gewesen wäre, damit sie sie ein klein wenig hassen konnte, aber Amy war entwaffnend sympathisch, als wäre ihr gar nicht bewusst, dass man einer so schönen Frau wie ihr einfach alles verzeihen würde. Ihre einzige negative Eigenschaft– abgesehen von der Tatsache, dass sie nichts von Büchern verstand, und auch sonst nicht allzu viel– war ihr Gekicher, das Neve allmählich ganz schön auf die ohnehin schon strapazierten Nerven ging.
» Ich dachte, in England regnet es ständig«, sagte Amy zu Neve, » dabei scheint schon die ganze Zeit die Sonne. Was meinst du, ist es in War-wick genauso sonnig?«
» Baby, wie oft muss ich es dir noch sagen: Das zweite w spricht man nicht«, meldete sich William zu Wort.
Amy sah noch immer zu Neve, weshalb ihr entging, dass er die Augen verdrehte und Neve mit einem kläglichen Lächeln ansah, das sie offenbar erwidern sollte.
Doch Neve lächelte nicht. Amy war zwar nicht gerade die Hellste, aber William wollte sie trotzdem heiraten. Er hatte sich für Schönheit statt Verstand entschieden, und das seinem IQ und seinem Wissen über die vierte Welle des Feminismus zum Trotz. Er wollte eine Frau heiraten, die zwar atemberaubend schön war, aber in einer Tour kicherte und noch nicht einmal fähig war, den Namen Heideggers auszusprechen, geschweige denn, über die Feinheiten von Sein und Zeit zu diskutieren. Und da hatte er den Nerv, Neve zu unterstellen, ihre drastische äußerliche Veränderung hätte sich negativ auf ihre Intelligenz ausgewirkt!
Während Amy aufgeregt kundtat, sie könne es kaum erwarten, War-wick zu sehen, lächelte Neve unverbindlich und verspürte einen weiteren Stich des Bedauerns darüber, dass William nun endgültig von seinem Podest gestürzt war. All die Jahre hatte sie sich nach seinem Geist und seinem attraktiven Äußeren gesehnt und dabei völlig übersehen, was ihm alles fehlte: Er war nicht witzig, er war nicht einfühlsam, er verstand sie nicht, und– er war nicht Max. » …einen Freund, Neve?«
Sie blinzelte, als sie ihren Namen hörte. Ihr Glas war fast leer, um sie drehte sich alles, und William und Amy sahen sie erwartungsvoll an.
» Tut mir leid, wie war das?«
» Amy will wissen, ob du einen Freund hast.« William musterte Amy mahnend. » Du bist nicht mehr in Kalifornien, Baby. Hier stellt man Leuten, die man gerade erst kennengelernt hat, keine so persönlichen Fragen.«
» Oh entschuldige, Neve, ich wollte nicht unhöflich sein.«
» Warst du nicht.« Neve warf William einen finsteren Blick zu. » Ich kenne Will schon ewig, und du bist seine Verlobte, also
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