Was sich kusst das liebt sich
nervt.«
Sie schwiegen sich ein Weilchen an, und Neve fragte sich, wie lange sie wohl noch hier sitzen musste, ehe sie nach Hause gehen konnte. Dieses Treffen war ein Desaster auf der ganzen Linie, und sie sehnte sich danach, allein zu sein. Sie wollte nur noch ihre metaphorischen Wunden lecken, sich von ihren albernen Jugendträumen verabschieden und sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass William nicht ihr goldenes Ticket in die Zukunft war und ihr ein tristes, einsames Leben ohne Max bevorstand.
Sie hob den Kopf, um eine entsprechende Bemerkung zu machen, doch William sah sie nicht an, sondern spähte auf einen Punkt irgendwo hinter ihr. Und dann lächelte er.
Neve hatte angenommen, sie hätte sich jede einzelne Version seines Lächelns genau eingeprägt, aber diese hier hatte sie noch nie gesehen. Er hob die Hand und begann heftig zu winken.
Neve warf einen Blick über die Schulter und sah eine junge Frau auf sie zukommen, die William genauso strahlend anlächelte wie er sie.
Er stand auf, und sie fiel ihm um den Hals und hauchte mit amerikanischem Akzent: » Baby! Ich hab dich vermisst.«
» Ich dich auch«, säuselte William und selbst seine Stimme klang fremd: weicher, heller, glücklicher. » Der Nachmittag hat sich ewig hingezogen.«
Sie kicherte über seine Worte, und gleich noch einmal, als er sie in die Taille kniff. Die Einzige, die nicht kicherte oder lächelte, sondern einfach nur mit starrer Miene dasaß, war Neve.
William zog los, um einen dritten Sessel zu organisieren, während die junge Frau sie freundlich, aber etwas ratlos musterte, als hätte sie nicht erwartet, sie hier anzutreffen. Neve versuchte ein Lächeln, das zur Grimasse geriet.
Neve konnte sich nicht entsinnen, je eine so schöne Frau gesehen zu haben. Sie war groß und schlank und durchtrainiert, und sie strich sich mit einer nervösen Handbewegung das karamellfarbene Haar über die Schulter, sodass Neve ihr wunderschönes, perfektes, ungeschminktes Gesicht besser sehen konnte. Schon erstaunlich, dass sie beide Augen, eine Nase und einen Mund hatten, doch während diese bei Neve völlig unauffällig waren, wirkten sie bei ihrem Gegenüber, als wären sie von einer göttlichen Hand gemeißelt worden.
Die Erscheinung trug natürlich verwaschene Jeans, ein weißes T-Shirt und Flipflops, und zwar mit einer lässigen Eleganz, die das Outfit zur Haute Couture machte, während Neve in ihrem geborgten Kleid und BH , einem figurformenen Miederhöschen und unbequemen Riemchensandalen dasaß, mit müden Wellen in den Haaren und einem » frischen Naturlook«, den sie zwei Kosmetikerinnen und einer Stunde Arbeit verdankte.
» Hier, Baby.« William stellte so stolz einen Ledersessel vor ihr ab, als hätte er ihn gerade aus dem Laden von Möbeldesigner Terence Conran geholt und auf den Schultern hierher getragen. » Was möchtest du trinken?«
Die Vision wollte einen Chardonnay, William bestellte sich noch ein Bier und Neve wusste, dass sie nun anstandshalber noch mindestens eine halbe Stunde bleiben musste, die sie nüchtern nicht überstehen würde.
» Ein großes Glas Sauvignon blanc«, sagte sie zum Kellner.
» Also, Amy, das ist Neve. Dank ihr waren meine letzten drei Jahre in Oxford einigermaßen erträglich«, sagte William, und Amy streckte Neve die Hand hin. » Neve, das ist die andere Überraschung– Amy, eine gute Freundin aus LA , die… naja, irgendwie habe ich es geschafft, sie zu überreden…« Er holte tief Luft. » Lass es mich noch einmal versuchen. Neve, das ist meine Verlobte Amy.«
Neves Hände waren schweißnass, aber Amy lächelte nur vorsichtig, als sie sich die Hand schüttelten. » Ach, Neve! Du bist ja richtig hübsch!« Sie kicherte verlegen. » William hat mir so viel von dir erzählt.«
Seltsam, dachte Neve. Dich hat er nämlich nie erwähnt.
» Du hast mir ja gar nie…« Sie brach ab. Er hatte zwar nicht klipp und klar geschrieben, dass er bis über beide Ohren verliebt war und heiraten wollte, aber er hatte einmal von einer sehr lieben Freundin geschrieben, die ihn… wie war das noch?… auf den Geschmack von Frozen Yogurt gebracht hatte. Neve befahl ihrer gehässigen inneren Stimme, gefälligst zu schweigen. William hatte wenigstens eine Andeutung gemacht. Sie dagegen hatte ihm unzählige Details aus ihrem Leben verschwiegen.
Der Kellner brachte ihre Getränke, und Neve riss ihm praktisch das Glas vom Tablett und nahm einen zügigen Schluck. Sie spürte richtig, wie der Alkohol in ihren
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