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Was sich kusst das liebt sich

Was sich kusst das liebt sich

Titel: Was sich kusst das liebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manning Sarra
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Neve vorbeiglitt. Prompt trat Neve ihrem Tanzpartner Jorge auf die Zehen, der zwar keine Miene verzog, sich aber mit einem Handkuss von ihr verabschiedete und die Flucht ergriff, sobald die Stunde zu Ende war und die erfahreneren Tänzerinnen eintrafen.
    Nach einigen weiteren Versuchen hatte sich herumgesprochen, dass man bei ihr auf seine Füße achten musste, und so kam es, dass Neve bald allein am Rande der Tanzfläche saß, an ihrem Soda Zitron nippte und ihre schmerzenden Beine ausruhte, während Büroangestellte aus Croydon und Taxifahrer aus Edmonton vor ihr über das Parkett schwebten, als hätten sie ihr Lebtag lang nichts anderes getan. Es war Samstagabend, und da wurde getrunken, getanzt und geflirtet. Man amüsierte sich und vergaß ein paar Stunden lang die Probleme und Enttäuschungen der vergangenen Woche und die Rolle, die man von Montag bis Freitag spielen musste.
    Und Neve sah zu und fragte sich, was mit ihr los war. Offenbar hatte sie nicht nur eine Menge Gewicht, sondern auch ihre Fähigkeit, sich zu amüsieren, verloren. In Oxford war sie oft mit ihren Freundinnen ausgegangen, und sie hatte jede Menge Spaß gehabt (während sie auf die Taschen und Jacken der anderen aufgepasst hatte, die sich auf der Tanzfläche vergnügten). Damals war das Männeraufreißen aber auch noch kein Thema gewesen, während sie jetzt an nichts anderes mehr denken konnte– und trotzdem wieder diejenige war, die in einer dunklen Ecke eines Nachtklubs saß und auf den falschen Pelz und die dazupassende Handtasche ihrer Freundin aufpasste, während diese eine kesse Sohle aufs Parkett legte. Samstagabend um halb zwölf war nun wirklich nicht der passende Zeitpunkt, um Trübsal zu blasen, während alle anderen mit zuckenden Hüften und begeisterten Juchzern abfeierten. Neve wartete noch fünf Minuten, doch da sich ihre Partylaune partout nicht einstellen wollte, verabschiedete sie sich von Rose und machte sich auf den Heimweg.
    In der U-Bahn bemühte sie sich mit aller Kraft darum, ihre Gesichtsmuskeln zu entspannen und das Zähneknirschen einzustellen, als sie den besorgten Blick der Frau aufschnappte, die ihr gegenübersaß. Aber war es ein Wunder, dass sie eine finstere Miene zur Schau trug in Anbetracht der entsetzlichen Ungerechtigkeit, die dem modernen Dating-Business anhaftete?
    Es sollte nicht darum gehen, das Interesse möglichst vieler Kandidaten zu wecken, indem man ein sorgfältig formuliertes Profil erstellte und Nachrichten verschickte, die nur darauf abzielten, eine Version von sich selbst zu präsentieren, die nicht einmal im Entferntesten der Wahrheit entsprach. Selbst bei unverbindlichen Abenteuern sollte doch ein bisschen Romantik im Spiel sein. Man sollte sich zueinander hingezogen fühlen, beginnend mit einem Blickkontakt in einem überfüllten Raum oder einem Lächeln in einem düsteren Nachtklub. Doch abgesehen von dem armen, unglückseligen Edward hatte sie diese Woche keinen Mann kennengelernt, der auf der Suche nach der großen Liebe zu sein schien. Sie hatten alle bloß eine hübsche Frau gesucht, die sie vor keine großen geistigen Herausforderungen stellte und im Austausch gegen ein Glas Weißwein die Hüllen fallen ließ.
    Alles, was sie brauchte, war ein einigermaßen normaler Kerl, mit dem sie eine einigermaßen normale Beziehung führen konnte. Und in den vergangenen Wochen hatte sie nur einen Mann kennengelernt, der diese Bedingung erfüllte.
    Neve nahm ihr Handy aus der Tasche, sobald sie in Finsbury Park aus der U-Bahn gestiegen war. Sie musste es gleich hier tun, jetzt sofort, noch ehe sie den Heimweg angetreten hatte, denn in diesen fünfzehn Minuten würden ihr jede Menge Gründe einfallen, die dagegen sprachen, und dann würde sie beschließen, die ganze Sache noch einmal zu überschlafen. Und bis morgen früh würden ihr noch mehr Einwände, Hindernisse und Stolpersteine einfallen, und sie würde Ausflüchte suchen und die Entscheidung hinausschieben, bis sie in jener staubigen und bereits total überfüllten Ecke ihres Gehirns endete, in der alle Angelegenheiten landeten, mit denen sie sich nicht auseinandersetzen wollte.
    Sie würde Max anrufen, jawohl. Wie gut, dass sie seine Nummer noch nicht gelöscht hatte. Ihr Unterbewusstsein war ihr mal wieder meilenweit voraus.
    Zum Glück ging er beim dritten Klingeln ran, denn beim fünften hätte sie bestimmt der Mut verlassen. » Hallo?«, tönte es argwöhnisch aus der Leitung, als hielte Max nicht viel von unbekannten Anrufern.
    »

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