Was sich kusst das liebt sich
ihrer Weißweinschorle genippt, da hatte er gesagt: » Ich hoffe doch, wir bumsen nachher, sonst ist das hier im Grunde reine Zeitverschwendung für mich.«
Am Donnerstag war Neve bereits ziemlich geschafft und überhaupt nicht in Stimmung für ihr Date mit Clives Assistenten A dria n, aber Philip hatte sich große Mühe gegeben, um es einzufädeln, und dabei sogar Clives Zorn auf sich gezogen, der seine Angestellten als sein Privateigentum betrachtete. Also machte sie sich reichlich lustlos auf zu Foyles in der Charing Cross Road.
Adrian erwartete sie mit einem verdrießlichen Blick, bei dem ihre Laune gleich noch tiefer in den Keller sank.
» Ich bin schwul«, verkündete er, sobald sie sich in Hörweite befand.
» Oh. Hab ich mir fast gedacht.« Neve lächelte zaghaft, und Adrian lächelte zurück. Er sah echt gut aus– wenn er nicht gerade vor Staunen die Augen so weit aufriss, dass sie ihm aus den Höhlen zu treten drohten, so wie jetzt.
» Neve aus Oxford?«, stieß er hervor. » Heilige Scheiße, hast du dir den Magen verkleinern lassen?«
» Nein, ich hab’s auf die traditionelle Weise geschafft«, erklärte Neve mit unverholener Selbstgefälligkeit. » Diät, Bewegung, Blut, Schweiß und Tränen. Und ich bin noch nicht am Ziel.«
Adrian musterte sie bewundernd. » Du siehst toll aus.« Er zögerte, dann fasste er einen Entschluss. » Lass uns etwas trinken gehen. Du hast doch nichts dagegen, wenn wir uns in eine Bar setzen, in der es für mich etwas zu gucken gibt, oder?«
Es wurde der lustigste Abend der bisherigen Woche. Sie lästerten eine Stunde über Clive, das Scheusal, und Adrian berichtete, dass er in der Arbeit vorgab, hetero zu sein, um den lüsternen Avancen seines perfiden Chefs zu entgehen.
» Er liegt mir ständig damit in den Ohren, dass ich nie wieder mit einer Frau ins Bett will, wenn ich erst mal einen Schwanz in mir hatte«, klagte er, was Neve zu einem entsetzten Quieken veranlasste.
Adrian versprach sogar, darüber nachzudenken, mit welchen heterosexuellen Singles aus seinem Bekanntenkreis er sie verkuppeln könnte. Sie unterhielten sich blendend und gingen erst nach Hause, als der Barkeeper, mit dem er den ganzen Abend geflirtet hatte, seine Schicht beendete.
Am Freitag war Neve mit Edward verabredet, der ihr in den vergangenen Tagen zwölf Nachrichten geschickt und sich darin lobend über ihre Intelligenz, ihren Schreibstil und ihre Schönheit geäußert hatte. Neve hatte ein gutes Gefühl, zumal es eine echte Erleichterung war, zur Abwechslung mit jemandem zu korrespondieren, der wusste, was ein Poeta laureatus war.
Edward war kleiner als erwartet, aber Neve hatte inzwischen gelernt, dass sich sämtliche Kandidaten in ihrem Onlineprofil fünf Jahre jünger und fünf Zentimeter größer machten als sie tatsächlich waren. Dass er außerdem nervöser als sie war, empfand sie als wohltuende Abwechslung. Er transpirierte heftig und lauschte mit hin und her schaukelndem Oberkörper, aber immerhin aufmerksam, als Neve ihm von ihrem Arbeitsalltag erzählte.
» Und was ist mit dir?«, fragte Neve, als sie alles gesagt hatte, was es über das literarische Erbe unbedeutender Lyriker zu sagen gab. » Du schreibst, richtig?«
Wie sich herausstellte, beschränkte sich Edwards schriftstellerische Tätigkeit auf das Verfassen eines Blogs über die Ermordung von John F. Kennedy. Im Laufe seiner Schilderung wurde er immer aufgewühlter, bis er ihr schließlich gestand, dass er vor drei Monaten einen manischen Anfall gehabt hatte, wieder bei seinen Eltern eingezogen war und an den Tagen, an denen er es schaffte, das Bett zu verlassen, für eine Zeitarbeitsfirma jobbte.
Wenigstens haben wir reichlich Gesprächsstoff, dachte Neve, während sie versuchte, die Unterhaltung von Virginia Woolf, Sylvia Plath und weiteren berühmten Selbstmörderinnen auf ein anderes Gesprächsthema zu lenken. Sie musste an Max denken, obwohl sie sich schon die ganze Zeit über große Mühe gab, es nicht zu tun. Er hatte sie gefragt, inwiefern denn ihr Pfannkuchenpartner von einer Pfannkuchenbeziehung profitieren würde. Als sie nun geduldig Edwards Fragen zur Psychoanalyse nach Freud beantwortete, erkannte sie, dass sie in seinem Fall einen positiven Einfluss auf sein Leben ausüben könnte. Und dann diese an Ehrfurcht grenzende Bewunderung in seinem Blick, als sie ihm den Unterschied zwischen Psychoanalyse und Psychotherapie erläuterte… So hatte sie noch niemand angesehen.
Er ist nicht unhübsch, dachte
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