Was sich kusst das liebt sich
Nächstes Teedienst hatte oder was für einen üblen Gestank Unsere liebe Frau vom gesegneten Taschentuch auf der Damentoilette hinterlassen hatte.
Neve nutzte die Zeit, um an der Lucy-Keener-Biografie weiterzuarbeiten, damit es wenigstens so aussah, als wäre sie beschäftigt, wenn Mr Freemont seine regelmäßigen Runden durch die Büros drehte, innerlich jedoch litt sie Höllenqualen.
Bei ihrer Mutter stieß sie mit ihren jobbedingten Klagen auf taube Ohren. » Ich weiß gar nicht, warum du immer noch in dieser Bibliothek arbeitest, noch dazu für einen solchen Hungerlohn«, bekam sie zu hören, kaum dass sie den Mund aufgemacht hatte. » Such dir doch etwas im öffentlichen Dienst. Soll ich mal bei Google für dich nachsehen?«
Selbst ein unerwarteter Anruf von William einige Tage später konnte ihre Stimmung nicht nachhaltig bessern. Er bedankte sich für Tee und Kekse, und man musste ihm zugutehalten, dass er sie noch nie eine Bibliothekarin genannt hatte, doch als sie ihm von ihren Problemen im Archiv erzählte, reagierte er ungewöhnlich gleichgültig.
» Du verschwendest am LLA doch nur deine Zeit«, sagte er unverblümt, nachdem ihm Neve zwanzig Minuten lang ihre neueste Verschwörungstheorie dargelegt hatte, die da lautete: Chloe und Rose planten einen Putsch gegen Mr Freemont und strebten Neves Entlassung an, weil sie sich regelmäßig in die British Library verdrückte. Chloe würde ihre Position als leitende Archivarin übernehmen, und ihr Gehalt würden sie unter sich aufteilen. » Es war der ideale Studentenjob, aber Karriere machen kannst du dort nicht.«
» Aber ich arbeite gern hier«, wandte Neve ein. » Jedenfalls habe ich gern hier gearbeitet, bis ich Chloes Ehrgeiz zum Opfer gefallen bin.«
» Das ist doch ein Zeichen, dass du deinen Doktor machen sollst. Im zweiten Jahr kannst du anfangen zu unterrichten, und wenn du fertig bist, hast du gute Chancen, an einer der sechs Red-Brick-Universitäten eine Dozentenstelle zu bekommen. Wir wissen doch beide, dass es früher oder später so kommen wird. Warum also nicht früher?«
Neve wusste nichts dergleichen. Sie hatte nicht das Zeug zum Unterrichten und konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, eine Doktorarbeit zu schreiben. Es widerstrebte ihr ja schon, über ein mögliches Thema dafür nachzudenken.
» Bitte, William, fang du nicht auch noch damit an«, flehte Neve. » Sag mir lieber, ob ich meinen Lebenslauf an die Senate House Library oder die British Library schicken soll. Allerdings ist Rose eng mit Angestellten beider Institutionen befreundet und kriegt es womöglich spitz.«
» Du kannst doch nicht einfach das Handtuch werfen«, hatte William mit einem entnervten Unterton gesagt, den er ihr gegenüber noch nie angeschlagen hatte. Andererseits konnte sie ihr Gejammer ja selbst schon nicht mehr hören. » Wenn du gehst, um zu promovieren, ist das eine Sache, aber du kannst doch nicht einfach kündigen, ohne dich zur Wehr zu setzen. Damit stempelst du dich selbst zur Versagerin ab, und so etwas macht nicht gerade attraktiv.«
Was für eine Ironie! Max hatte am Montagmorgen nach der durchwachten Nacht praktisch dasselbe zu ihr gesagt, als sie frustriert verkündet hatte, es sei sinnlos, das Schlafexperiment zu wiederholen. » Nur Loser geben kampflos auf, Neve. Ich habe auch nicht allzu viel geschlafen, aber ich bin entschlossen, es so lange zu probieren, bis es klappt.«
Das war alles so ungerecht! Neve stöhnte innerlich, und sie war noch immer genervt, als sie eine Woche später einen neuen Versuch starteten. Wenigstens kamen diesmal keine Anrufe aus Los Angeles. Die Daunendecke und die Wärmflasche ließ sie diesmal von vornherein weg, und außerdem trug sie ein kurzärmeliges Oberteil, doch es nützte alles nichts. Max schlief binnen zehn Minuten tief und fest und lieferte eine oskarverdächtige Vorstellung als Oktopus ab– als heißblütiger, schnarchender und sehr liebesbedürftiger Oktopus, der sie ständig mit seiner Erektion anstupste.
Dafür war er morgens im Gegensatz zu Neve blendend gelaunt und blieb sogar zum Frühstück. Die Woche davor hatte er zehn Minuten nach dem Aufwachen die Flucht ergriffen. Seine gute Stimmung verflog allerdings blitzartig, als Neve ihm sein Frühstück hinstellte: ungesüßtes Müsli mit Banane und Sojamilch.
» Das nennst du Frühstück?«, fragte er entgeistert. » Gibt’s keinen Toast?«
» Naja, das ist dein Frühstück«, sagte Neve. » Ich trainiere am Montagmorgen immer auf
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