Was sich kusst das liebt sich
nüchternen Magen, und ich habe kein Brot im Haus. Tut mir leid.«
Neve hätte nicht gedacht, dass man Müsli mit derart griesgrämiger Miene essen konnte, aber Max schaffte es mit links. Das war ein denkbar schlechter Start in die Woche, und bei dem Gedanken an das Meeting am Mittwoch wurde ihr richtig flau im Magen. Noch ein guter Grund, aufs Frühstück zu verzichten, wenn es ihr womöglich ohnehin gleich wieder hochkommen würde.
» Schmeckt eigentlich gar nicht übel«, bemerkte Max plötzlich. » Man muss nur zusehen, dass man mit jedem Löffel mindestens zwei Rosinen erwischt. Und Kaffee gibt es auch, nicht wahr? Den würdest du mir doch nicht vorenthalten, oder?«
Drei Tassen Espresso später war Max wieder ganz der Alte und zum Aufbruch bereit. Neve begleitete ihn und Keith noch bis zum Ende der Straße. In Gedanken war sie bereits bei ihrem Work-out und bei Chloe, Rose und Philip. Was sollte sie ihnen sagen– vorausgesetzt, sie brachte den Mut auf, die drei auf ihre Flüsterkampagne anzusprechen? Es war offensichtlich, dass sie vorhatten, sie hinauszuekeln, damit sie ihre Jobs behalten konnten. Schließlich hatte Rose sie einmal dabei erwischt, wie sie einen privaten Brief ins Postausgangsfach gelegt hatte und…
» Unter der Woche ist es vielleicht etwas schwierig, aber nächsten Sonntag sollten wir es noch einmal versuchen.«
Huch, was hatte Max gerade gesagt? Seiner ernsten Miene nach zu urteilen war es etwas Wichtiges gewesen. Selbst Keith blickte feierlich zu ihnen hoch.
» Was versuchen?«
» Na, das Nebeneinanderschlafen! Wenn wir nicht in einem Bett schlafen können, ohne dass du dich mitten in der Nacht ins Wohnzimmer schleichst, dann ist diese Beziehung zum Scheitern verurteilt.«
» Diese Pfannkuchen beziehung.«
» Na, und? Hast du eine Ahnung, was für eine Leistung es für mich ist, das Bett mit einer Frau zu teilen, mit der ich noch keinen Geschlechtsverkehr hatte? Oder um halb sieben Uhr morgens aufzustehen, und das ohne ein Wort der Klage?« Er stupste sie mit dem Ellbogen an und schenkte ihr ein freches Lächeln. Jenes Lächeln, von dem er zu denken schien, dass es ihn aus jeder noch so hoffnungslosen Lage retten konnte. » Ich habe das Gefühl, über mich hinausgewachsen zu sein.«
» Wenn ich deine richtige Freundin wäre, und wenn du wirklich auf mich stehen würdest, wäre deine Zurückhaltung eine Leistung. Aber ich bin nicht deine richtige Freundin, und du stehst nicht wirklich auf mich«, ätzte Neve.
» Herrgott noch mal, Neve, du kannst nicht beides haben. Du bist doch hier diejenige, die sich für diesen William aufsparen will! Ich darf ja bloß ein bisschen knutschen und ein bisschen grapschen, dann weist du mich schon wieder in die Schranken.« Er bedachte sie mit einem finsteren Blick. » Und im Übrigen klingst du bereits wie eine richtige Freundin. Das Genörgel hast du jedenfalls schon ganz gut drauf.«
» Ich bin total unausgeschlafen«, knurrte Neve, dabei hatte sie bisher noch nie jemanden angeknurrt. » Hast du eine Ahnung, wie schwer es ist, unausgeschlafen und auf nüchternen Magen zwei Stunden zu trainieren?«
» Nein, hab ich nicht, und es interessiert mich auch nicht.«
Sie waren stehen geblieben und starrten einander so bitterböse an, wie es im Gehen kaum möglich war. Neve wusste nicht, wie lange sie so dort standen. Schließlich stieß sie einen leisen, resignierten Seufzer aus. » Ich habe keine Zeit zum Streiten. Gustav reißt mir den Kopf ab, wenn ich zu spät komme.«
Sie erwartete ein weiteres » Na und?«, doch Max nahm ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und fragte: » Ist alles in Ordnung? Hast du irgendetwas auf dem Herzen, mal abgesehen von unseren Schlafschwierigkeiten?«
Neve hatte ihm weder von der Jahreshauptversammlung erzählt noch von ihrer Angst, sie könnte wegen groben Fehlverhaltens gekündigt werden. Er erkundigte sich nie nach ihrer Arbeit, die so gar nichts mit seiner Welt voller rauschender Feste und zänkischer Stars gemein hatte, und er hatte sich ja gleich am Anfang mit seiner Bemerkung von wegen » Hochburg Wolljäckchen tragender Lesben« disqualifiziert. Und sie gedachte nicht, ihm auf die Nase zu binden, dass sie ihren ersten Streit mit William gehabt hatte.
» Es ist nichts. Nur ein Problem in der Arbeit. Ich würde es dir erzählen, aber du würdest vor Langeweile auf der Stelle einschlafen«, brummte sie und drehte den Kopf zur Seite, sodass Max die Hand sinken ließ. » Ich muss los. Ich melde mich im
Weitere Kostenlose Bücher