Was sich liebt das raecht sich - Roman
Um diesen Fehler wieder wettzumachen, fügte sie ein paar zusätzliche Schritte ein und fing dann endlich zu singen an.
»Kiss me like you mean it«, kreischte sie, hüpfte energisch hin und her, blickte dabei in ein Meer verwunderter Gesichter, und mit einem Mal wurde ihr klar, dass sie einfach furchtbar klang. Die Tonart war vollkommen falsch, ihre Stimme hatte praktisch keinen Klang, und vor allem holte sie grundsätzlich an den falschen Stellen Luft …
»I’m the girl you wanna be with« , stieß sie verzweifelt aus und drehte sich in der Hoffnung, dass die Leute eine ganz besonders schiefe Note nicht bemerkten, eilig einmal um sich selbst. »So you need to kiss me, kiss me like you mean it, yeah …«
Sie erblickte Judd, der, die Arme vor der Brust verschränkt, unmittelbar vor der Bühne stand und sie mit feindseligen Blicken musterte. Nachdem ihr auch der letzte Ton hoffnungslos misslungen war, nahm Savannah ihre Abschlusspose ein, wünschte sich verzweifelt, die Lichter gingen aus, und sobald es auf der Bühne dunkel war, stürzte sie davon. Die Vertreter der Musikbranche waren zu höflich, um zu pfeifen, aber der Applaus war
bestenfalls gedämpft, und es war offensichtlich, dass ihr Publikum nicht unbedingt beeindruckt war.
»Scheiße!«, brüllte sie und verfluchte sich dafür, dass sie ihren großen Augenblick derart vermasselt hatte. Schließlich hatte sie ihr Leben lang auf diese Chance gewartet! Wie zum Teufel hatte es ihr da passieren können, ihren Einsatz zu verpassen? Wütend trat sie gegen einen Lautsprecher und jaulte vor Schmerzen auf, denn ihre Stiefel waren nicht aus Leder, sondern aus Stretchsatin gemacht.
Als sie Darcy näher kommen sah, sank ihr vollends der Mut. »Los, nun sagen Sie mir schon, dass mein Auftritt furchtbar war«, fauchte sie sie trotzig an, weil sie den Gedanken hasste, dass der Plan der anderen Frau bezüglich ihres Images, des Playbacks sowie vieler anderer Dinge vielleicht doch nicht so verkehrt gewesen war.
Darcy schüttelte den Kopf, auch wenn sie eindeutig nicht wirklich bei der Sache war. »Das war er nicht«, erklärte sie, wodurch sie Savannah den Wind aus den Segeln nahm. »Er war vielleicht noch ein bisschen amateurhaft, doch die Dinge, die jetzt nicht funktioniert haben, bekommen wir auf jeden Fall noch hin.« Sie unterzog Savannah einer Musterung und sah zum ersten Mal an diesem Abend wieder halbwegs wie die alte Darcy aus. »Du hältst dich für unglaublich selbstbewusst, aber wenn du nervös wirst, denkst du nicht mehr ans Singen, sondern konzentrierst dich nur noch auf die Tanzerei.« Sie riss sich sichtlich zusammen und fuhr entschieden fort: »Hör zu, du brauchst einfach mehr Erfahrung. Also geh wieder auf die Bühne und denk beim nächsten Lied an deinen Text.«
Savannah starrte sie ungläubig an. »Ich soll wieder auf die Bühne gehen?«, fragte sie und schüttelte vehement den Kopf. »Nie im Leben.«
»Du hast keine andere Wahl«, klärte Darcy sie nüchtern auf. »Du wirkst bereits unprofessionell, und wenn du jetzt nicht wieder rausgehst, ist deine Karriere besiegelt und du kannst deinen Traum von einer Zukunft als Sängerin ein für alle Mal begraben. Du musst einfach aus deinen Fehlern lernen und bei deinem nächsten Auftritt ein paar Dinge anders machen, das ist alles.«
Savannah ließ den Kopf hängen. Ihr übertriebenes Selbstbewusstsein war während des ersten Auftrittes gestorben. Aber wenn sie sich jetzt nicht zusammennahm und noch einmal sang, löste sich ihr großer Traum ganz bestimmt in Wohlgefallen auf.
Sie sah Darcy unglücklich an und wünschte sich, sie hätte auf die andere Frau gehört, statt sich einzubilden, dass sie selber wüsste, was für sie das Beste war. Und statt auf Judd zu hören, fügte sie vorwurfsvoll hinzu. Weil er, verdammt noch mal, nicht die geringste Ahnung von diesem Metier zu haben schien. Er hatte sie vorbehaltslos unterstützt, jeder ihrer dämlichen Entscheidungen Beifall gespendet und auf diesem Weg Darcy in Misskredit gebracht, als wäre das das Einzige, worum es bei der Sache ging. Nicht zum ersten Mal fragte Savannah sich, ob dem Vater wirklich ihr Erfolg oder vielleicht eher etwas völlig anderes am Herzen lag.
»Was soll ich tun, Darcy?«, fragte sie mit jämmerlicher Stimme. »Es tut mir leid, dass ich die ganze Zeit so eklig war. Aber jetzt höre ich auf Sie, versprochen. Das hier … ist mir wichtiger als alles andere.«
Darcy listete mechanisch ihre Vorschläge auf. »Vergiss diese
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