Was sich liebt das raecht sich - Roman
starre ihre eigene Mutter sie mit ängstlich aufgerissenen Augen und gleichzeitig voller Selbsthass an.
Mit zitternden Händen griff sie nach dem Telefon, aber wen sollte sie anrufen? Den Kontakt zu ihrer Mutter hatte sie verloren, als sie vor einer halben Ewigkeit zuhause ausgezogen war, und echte Freundinnen hatte sie nie gehabt. Unglücklich ging sie die Namensliste auf dem Handy durch, merkte, dass die meisten Namen die von irgendwelchen Männern waren, die ihr beruflich etwas nützten und/oder mit denen sie einmal im Bett gewesen war, und hielt erst inne, als der Name Shay Maguire auf dem winzigen Display erschien.
Darcy griff nach einem Taschentuch, tupfte sich die Tränen fort und zerknüllte elend das Papier. Anders als die meisten anderen Männer, die sie kannte, hatte Shay niemals versucht, sie auszunutzen, sondern sich ehrlich interessiert an ihr gezeigt. Und wie hatte sie es ihm gedankt? Indem sie versucht hatte, ihn – wenigstens beruflich – zu vernichten, nur weil sie von Judd dazu angewiesen worden war. Wer zum Teufel machte so etwas?
Sie vernahm von draußen ein Geräusch, woraufhin sie mit wild klopfendem Herzen Richtung Tür blickte, sich noch fester in die Decke einhüllte und noch stärker als zuvor zitterte.
»Darcy«, rief Judd und steckte den Schlüssel in das Schloss. Seine Stimme klang beleidigend normal. Doch Darcy machte ihm bestimmt nicht auf, ganz egal, in welchem Ton er mit ihr sprach. Sie hatte den Riegel und die Kette vorgelegt und würde jetzt den ersten Schritt in Richtung eines Lebens ohne diesen Kerl unternehmen.
»Mach die Tür auf!«, wies er sie verärgert an. »Los, Darcy, mach keinen Quatsch. Ich bleibe nicht den ganzen Tag hier draußen stehen.«
»Hau ab.« Sie hatte diese beiden Worte brüllen wollen, brachte sie aber nur in einem erstickten Flüsterton heraus.
Statt einer Antwort trommelte er wütend mit den Fäusten gegen ihre Tür, und als er dann auch noch Obszönitäten durch den Briefschlitz schrie, schnappte sie sich außer sich vor Angst ihr Telefon, sprang aus ihrem Sessel und stürzte ins Wohnzimmer, wo sie von der Tür aus nicht zu sehen war. Dann schickte sie der einzigen Person, deren Anblick sie ertragen würde, eine verzweifelte SMS.
Doch nie und nimmer würde dieser Mensch auf ihre Nachricht reagieren, und unkontrolliert zitternd kauerte sich Darcy in die Ecke ihrer Couch und betete zu Gott, dass Judd bald aufgeben und sie danach für alle Zeit in Ruhe lassen würde.
Shay war auf dem Weg zu einem Interview mit einer angesagten neuen Band, die von seinem Verlag für eine Riesensumme unter Vertrag genommen worden war. Er runzelte die Stirn, da er eine SMS von einem unbekannten Absender bekommen hatte. Er stand vor der Tür des Clubs in Camden, rief die Nachricht auf und fragte sich, ob vielleicht Iris im Besitz von einem neuen Handy war. Am besten riefe er sie sowieso bald einmal wieder an, denn er war sich sicher, dass sie irgendwas vor ihm verbarg.
Dann las er den Text, und als er sah, von wem er war, verzog er verächtlich das Gesicht.
»Tut mir alles furchtbar leid … kannst du bitte kommen? Darcy« Angehängt war ihre Adresse in Kensington. Wütend klappte Shay sein Handy wieder zu und trat durch die Tür des Clubs. Bildete sich diese Ziege etwa allen Ernstes ein, sie bräuchte ihn nur anzurufen und schon
käme er gerannt, nachdem er derart von ihr über den Tisch gezogen worden war? Nie im Leben. Er hatte sich die Finger derart schlimm verbrannt, dass er sie bestimmt nicht freiwillig noch mal ins Feuer hielt.
Dann aber blieb er plötzlich stehen, weil wie immer die Gedanken an die Nacht mit ihr widerstrebende Gefühle in ihm wachriefen. Ihm war klar, er sollte sich nicht zu ihr hingezogen fühlen, da sie ihm schließlich echt übel mitgespielt hatte, doch er konnte einfach nichts dagegen tun. Sie war ihm unter die Haut gegangen, und wie einen tief sitzenden Stachel wurde er sie, ganz egal, was er auch tat und wie sehr er es versuchte, einfach nicht mehr los.
Ein Gefühl der Übelkeit stieg in ihm auf. Was war nur mit ihm los? Oder eher, was zum Teufel war mit Darcy los? Machte es ihr einfach Spaß, mit Männern ins Bett zu gehen und ihnen dabei die Köpfe zu verdrehen? Sie war ein intelligenter, tatkräftiger Mensch, aber wenn sie Teil von Judds perverser Welt sein wollte, war sie hoffnungslos verloren.
Er wollte ihre Nachricht löschen, zögerte dann jedoch, weil sie seine einzige Verbindung zu ihr war, und obwohl es vollkommen
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