Was sich liebt das raecht sich - Roman
wie sehr er litt? Um Himmels willen, schließlich war sie seine Frau! Aber sie hatten beide in der letzten Zeit sehr viel voreinander geheim gehalten.
Als Rosie Tavvys unglückliche Miene sah, fuhr sie mit strenger Stimme fort: »Also gut, Schätzchen, Zeit, dass Sie nach Hause fahren. Sie sind jetzt schon seit Tagen hier. Ziehen Sie sich um, machen Sie sich ein Sandwich und legen Sie sich ins Bett.«
Tavvy rieb in dem verzweifelten Bemühen, ihn dazu zu bringen, dass er reagierte, Lochlins Hand. »Ich denke immer an den Augenblick zurück, an dem er durch die Tür gekommen ist, Rosie … sein Gesicht … es war so grau …«
»Sie dürfen sich nicht aufregen. Ich weiß, wie anstrengend es sein kann, wenn man Tag und Nacht am Krankenbett eines geliebten Menschen sitzt.«
Tavvy brach in lautes Schluchzen aus.
»Es ist eindeutig allerhöchste Zeit, dass Sie nach Hause fahren und eine Pause machen.« Rosie zog die andere Frau sanft von ihrem Stuhl und führte sie zur Tür. »Ich verspreche, dass ich mich bei Ihnen melde, sobald sich irgendetwas tut. Wenn Sie eine Beschäftigung brauchen, fahren Sie doch einfach wie geplant im Büro Ihres Mannes vorbei. «
Tavvy zögerte, aber im Grunde war ihr klar, dass der Vorschlag vollkommen vernünftig war. Sie brauchte wirklich eine Pause, weil sie sonst wahrscheinlich ebenfalls zusammenbrach.
Vor der Tür des Krankenhauses holte sie tief Luft. Wahrscheinlich wäre es wirklich am besten, erst mal in der Firma vorbeizuschauen, überlegte sie. Da sie den Gedanken, heim nach Pembleton zu fahren, das so sehr ein Teil von Lochlin war, einfach nicht ertrug.
Trotz des dichten Berufsverkehrs erreichte sie Shamrock noch vor Anbruch der Dunkelheit. Obwohl sie sich nicht sicher war, was sie überhaupt dort wollte, ging sie in Richtung von Lochlins Büro, wo sie auf eine bleiche Assistentin stieß, die gerade ihren Computer herunterfuhr.
»Tavvy, ich hatte Sie nicht erwartet.« Erica nahm sie mitfühlend in den Arm. »Wie geht es Ihnen?«
»Den Umständen entsprechend.« Tavvy strich sich nervös die Haare aus der Stirn. »Es ist nicht leicht, aber Hauptsache, er kommt durch. Im Grunde weiß ich gar nicht, was ich hier in der Firma will.«
Die Assistentin unterzog sie einer kurzen Musterung und nahm dabei die tiefen Sorgenfalten in ihrem Gesicht und die violetten Schatten unter ihren Augen wahr. Dann schloss sie Lochlins Bürotür auf, und Tavvy betrat den Raum und atmete den Duft von Lochlins Aftershave und des schwarzen Kaffees ein, den er immer trank. Wie es aussah, hatte er sich neben seinem Kaffee auch gern hin und wieder einen Whiskey eingeschenkt, ging es ihr durch den Kopf, als sie die fast leere Flasche auf einem der Aktenschränke bemerkte. Dann blickte sie auf das Familienporträt. Wenn Lochlins Eltern noch am Leben wären, wären sie wahrscheinlich außer sich vor Sorge um den Sohn. Doch die arme Colleen war kurz nach der Tragödie gestorben, und Niall hatte sie drüben in Irland nur wenige Monate überlebt.
Tavvy nahm hinter dem Schreibtisch Platz und fuhr den Computer hoch. Sie wollte Lochlin helfen, hatte allerdings keine Ahnung, wie sich das am besten machen ließ.
Dann kam Erica herein und bedachte sie mit einem neugierigen Blick.
»Die Dinge stehen augenblicklich nicht gerade zum
Besten«, klärte sie Tavvy auf. »Ich weiß nicht, wie viel Sie wissen, aber Lochlin hat eine Reihe Künstler verloren und seit Ende letzten Jahres kaum neue gewonnen, weshalb die Aktien inzwischen unglaublich gefallen sind. Shamrock ist kaum noch etwas wert, und ich fürchte, dass dies vielleicht das Ende ist.«
Tavvy starrte sie ungläubig an, doch sie warf einen Blick auf ihre Uhr und schüttelte unglücklich den Kopf. »Tut mir furchtbar leid, Tavvy, aber ich muss Sie jetzt allein lassen. Ich war in den letzten beiden Wochen kaum zuhause, und mein Freund weiß sicher nicht mal mehr, wie ich überhaupt aussehe.«
Tavvy lächelte. »Gehen Sie nur, Erica. Ich komme schon zurecht.«
Ohne zu wissen, wo sie überhaupt beginnen sollte, zog sie ihren Mantel aus und machte sich ans Werk. Nach einem Anruf im Krankenhaus, um zu erfragen, ob es irgendetwas Neues gab, rief sie Lochlins E-Mails auf, nahm diverse Ordner aus dem Schrank, kämpfte sich stirnrunzelnd durch verschiedene Verträge, Aktienkurven sowie Verlustrechnungen hindurch, und bereits nach kurzer Zeit war der Schreibtisch mit Papieren übersät. Es wurde immer später, und sie merkte gar nicht, dass ihr ein dichter
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