Was sich liebt das raecht sich - Roman
dem Moment bei ihrem Exfreund aufzutauchen, in dem er zu schwach war, um sie zu verstoßen. Jauchzend ließ sie den Motor ihres Wagens wieder an und fuhr davon.
Jerry ging ins Haus zurück, wo Ace über dem Flügel zusammengesunken war und Iris’ tränennasse Notenblätter in den Händen hielt.
»Ich habe sie verloren«, stieß er krächzend aus und sah Jerry durch einen dichten Tränenschleier hindurch an.
Jerry wünschte sich, er könnte etwas anderes sagen, doch da das nicht möglich war, legte er schweigend eine Hand auf seinen Arm. Als Ace zwischen seinen Fingern Iris’ Kette sah, heulte er vor Trauer auf, legte seinen Kopf auf dem schimmernden Flügel ab und brach in hemmungsloses Schluchzen aus.
18
Charlie saß in seinem Studio und dachte zum ersten Mal seit Jahren über ein paar neue Lieder nach. Dieses Mal wollte er ernst genommen werden; die Zeit der engen Hosen und des Strass war endgültig vorbei. Oder zumindest beinahe, dachte er beim Anblick seiner eng sitzenden Jeans. Aber wenigstens sah er nicht mehr wie ein alternder Rocker aus: Er hatte sich das Haar in einem dezenten Braunton getönt, das nach Aussage der Zwillinge »cool, aber nicht allzu aufgedonnert war«, und hatte einen Haufen neuer Klamotten gekauft, bei deren Auswahl ihm Susannah beratend zur Seite gestanden hatte und die durchaus hip, aber nicht zu jugendlich für einen Mann in seinem Alter waren.
Zögernd wischte er den Staub von seiner Gitarre ab und schlug ein paar Akkorde an. Der Gedanke, nach all der Zeit wieder etwas zu schreiben, machte ihn nervös, doch zu einem richtigen Comeback gehörte neben einem neuen Image eben auch eine Reihe frischer Songs. Und wenn Shay und alle anderen bei Shamrock dachten, dass er neue Sachen komponieren könnte, brächte auch er selbst das notwendige Selbstvertrauen dafür auf.
»Scheiße, früher war es total einfach«, murmelte er angespannt. Damals war das Komponieren das reinste Kinderspiel für ihn gewesen, und ein paar von seinen besten Songs hatte er in weniger als einer Stunde zu Papier gebracht. Natürlich hatte ihm das Schreiben nie denselben Kick wie seine Auftritte verschafft, aber das lag sicher einfach
daran, dass ihm eben nichts über den Kontakt mit seinen Fans gegangen war.
Erst Jahre später war das Komponieren anstrengend für ihn geworden, und das Schreiben eines Songs hatte sich wie echte Arbeit angefühlt. Tief in seinem Inneren kannte Charlie auch den Grund dafür: Die Musikbranche und das, wofür sie stand, hatten ihn enttäuscht, und seine Unzufriedenheit hatte sich vor allem dann gezeigt, wenn er allein in seinem Studio gewesen war. Ihm war klar, dass ihn die Menschen für die altmodischen Sachen liebten, mit denen er früher in den Charts gewesen war. Daher ging er ein großes Wagnis ein, indem er etwas völlig Neues ausprobierte, doch eine Veränderung war die einzige Chance, die ihm jetzt noch blieb.
Er probierte ein paar weitere Akkorde auf seiner Gitarre aus, notierte sie, und schon nach kurzer Zeit war der Boden seines Studios mit vollgeschriebenen Notenblättern übersät. Irgendwann sah er auf seine Uhr und merkte, dass die letzten Stunden wie im Flug vergangen waren – genau wie in der guten alten Zeit. Er hatte also doch Talent. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er sich derart von dem Rock ’n’ Roll-Schwachsinn hatte gefangen nehmen lassen, dass er nicht mehr hatte sehen können, was ihm wirklich wichtig war. Komponieren, Tourneen, Frauen …
Susannah streckte ihren blonden Schopf durch die Tür des Studios. »Lust auf einen Drink?«
Er sah sie grinsend an. »Sehr gern.«
Sie betrat den Raum und stellte ein Tablett mit verschiedenen Getränken auf den Tisch. »Ich war mir nicht sicher, was du heutzutage trinkst, wenn du in deinem Studio bist, deshalb habe ich dir einen Becher Tee, ein Bier und einen Tequila mitgebracht.« Sie trug ein enges rotes T-Shirt sowie enge schwarze Jeans, die ihre Beine endlos wirken ließ.
»Ich nehme den Tee. Das ist vielleicht nicht cool, aber ich habe einen Höllendurst.« Er nahm den Becher in die Hand und leerte ihn in einem Zug.
»Und, wie läuft’s?«, fragte Susannah ihn, während sie sich auf eine der Lautsprecherboxen schwang. »Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich dich zum letzten Mal hier drin gesehen habe – ich meine, während du Songs geschrieben hast.« Sie blickte auf die vollgeschriebenen Notenblätter auf dem Fußboden. »Wow, du hast schon unglaublich viel geschafft. Ich bin echt
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