Was sich liebt das raecht sich - Roman
der klassischen Musik für sie erträumt. Nachdem sie bei einem Autounfall viel zu früh gestorben waren, war Tavvy bewusst geworden, wie leer ihr Leben war. Sie hatte dringend eine Aufgabe gebraucht. Sie hatte schon immer gerne Songs geschrieben, und ermutigt von Lochlin Maguire, der damals beim Plattenlabel seines Vaters ein ehrgeiziger junger Praktikant gewesen war, hatte sie angefangen, sich auf das Schreiben von Musik zu konzentrieren statt auf den Gesang.
Rückblickend betrachtet wurde ihr bewusst, dass sie aufgrund ihrer Verlorenheit nach dem Tod der Eltern anfangs dankbar für Judd Harringtons beruhigende Dominanz gewesen war. Doch bald schon hatte er Besitzansprüche angemeldet und sie ständig kontrolliert, und als
er ihr wegen seiner Eifersucht auf ihre Freundschaft zu dem jungen Praktikanten eine Überdosis Drogen verpasst hatte, hatte sich Lochlin eingemischt und sie vor noch Schlimmerem bewahrt. Er war attraktiv, leidenschaftlich und stark gewesen – der sprichwörtliche Ritter auf dem weißen Ross –, hatte sie wieder gesund gepflegt, und währenddessen war die Liebe zwischen ihnen aufgeblüht. Kurz nach ihrer lächerlich romantischen weihnachtlichen Trauung und der Tragödie, von der das Dorf erschüttert worden war, hatte Judd sich aus dem Staub gemacht und war nie wieder aufgetaucht. Bis jetzt.
Tavvy blickte wieder auf ihr Notenblatt und konzentrierte sich von Neuem auf das Lied. Sie kannte sich gut genug, um sich bewusst zu sein, dass sie erst wieder Ruhe fände, hätte sie die Melodie vollständig zu Papier gebracht. Bisher hatte sie Weisen immer einfach ignorieren können, hatte sich gesagt, sie wären nicht gut genug, und vor allem bräuchte sie sie auch nicht mehr. Aber diesmal … diesmal war es etwas anderes …
Tavvy ließ sich wieder völlig auf die Noten ein, schrieb sie eilig auf, und eine halbe Stunde später lehnte sie sich, emotional total erschöpft, aber erleichtert in die Kissen und nahm Lochlins Lesebrille ab.
»Tavvy?« Lochlin hob den Kopf. »Alles in Ordnung, Schatz?« Er streckte besorgt einen seiner Arme nach ihr aus.
Eilig versteckte Tavvy das Notenblatt unter dem Bett, kuschelte sich unter die Decke und schmiegte sich an Lochlin an.
»Alles okay. Ich konnte nur nicht schlafen, das war alles.«
Lochlin wandte sich ihr zu, und im Kerzenschein sah sie seinen sorgenvollen Blick. »Ist es wegen Judd?«
Sie schüttelte vehement den Kopf, denn schon die
Erwähnung dieses Namens war ihr abgrundtief verhasst. »Nein.« Sie streichelte Lochlins Wange und spürte, wie angespannt er war.
Er starrte an ihr vorbei. »Was macht er hier, Tav? Warum zum Teufel kommt er jetzt, nach all der Zeit, wieder hierher zurück? Will er sich vielleicht an mir rächen?« Er sah auf sie herab. »Er hasst mich, da ich dich bekommen habe, das ist es, nicht wahr? Doch ich verspreche dir, falls der Kerl es wagt, dir auch nur ein Haar zu krümmen …«
»Weshalb sollte er das tun?«
»Weil er nicht verlieren kann. Weil er sich niemals eingestehen würde, dass du ihn verlassen hast, sondern sich lieber einredet, dass du ihm von mir gestohlen worden bist.«
Tavvy nahm seine Hand. »Das ist sein Problem.«
»Und jetzt ist es auch meins«, führte Lochlin grimmig aus. »Er hat es darauf abgesehen, mich zu ruinieren, Schatz, das muss es einfach sein. Der Jett Musikverlag kann unmöglich ein Zufall sein. Er will Shamrock ruinieren, und wenn ich ihn richtig kenne, hat er es auf dich ebenfalls abgesehen.« Er setzte sich auf und wies wütend in Richtung von Brockett Hall. »Was ich nicht verstehe, ist, sollte nicht ich so etwas tun? Sollte nicht ich es sein, der Rache will?« Sein Blick wurde verhangen. »Was ist damit, was er dir angetan hat, Tav? Was ist mit Seamus? Er hat die Verantwortung dafür, das weiß jeder hier in Meadowbank …«
»Pst.« Tavvy küsste ihn und wünschte sich, sie hätte niemals irgendwas mit Judd Harrington zu tun gehabt. »Es ist alles meine Schuld, ich fühle mich verantwortlich.«
»Red doch keinen Unsinn.« Lochlin sah sie zärtlich an. »Ich mache mir nur Sorgen um die Kinder. Was sollen wir ihnen sagen? Sie stellen Fragen, und sie wollen Antworten, vor allem Shay.« Er drückte ihre Finger. »Aber müssen sie wirklich erfahren, was damals geschehen ist? Ich will sie
davor beschützen, will sie nicht in die Sache hineinziehen. «
Tavvy nickte, und ihr blondes Haar fiel vor ihr Gesicht. »Ich weiß. Manchmal denke ich, es wäre besser, sie wüssten Bescheid, aber dann
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