Was sich liebt das raecht sich - Roman
weshalb er so versessen auf ein Treffen mit ihm war. Vielleicht eine Möchtegern-Sängerin? Seit sich die Neuigkeit vom Jett Musikverlag herumgesprochen hatte, hatten mehrere hundert junger Leute ihn in seiner Firma mit Anfragen bombardiert. Mädchen und Jungen aller Altersgruppen waren hordenweise aufgetaucht und hatten ätzende Fotos und blecherne Demo-CDs mit irgendwelchen blöden Liedern am Eingang für ihn hinterlegt. Er fand es allerdings beeindruckend, dass es der jungen Frau gelungen war, an der Security und dann auch noch an seinem Wachhund Heidi vorbei einfach in
sein Büro zu kommen. Nicht mal Darcy hatte das geschafft.
Das Mädchen stemmte eine Hand in seine Hüfte, warf die dunkelroten Haare lässig über eine Schulter und nahm eine möglichst arrogante Haltung direkt vor dem Schreibtisch ein. Es war Anfang zwanzig, schätzte er, und es trug eine eng sitzende schwarze Lederjacke über einem so tief ausgeschnittenen T-Shirt, dass er seine provokativ zur Schau gestellten Brüste überdeutlich sah. Seine Augen waren beinahe unnatürlich blau.
»Ich bin Savannah«, stellte die junge Frau sich vor. Ihr Ostküstenakzent verblüffte ihn.
»Und, Savannah, was kann ich für dich tun?«, fragte er und war verwundert, weil ihm ihre Kühnheit gar nicht auf die Nerven ging. Tatsächlich musste er sie für ihr dreistes Vorgehen regelrecht bewundern, und vor allem hatte er das deutliche Gefühl, dass er ihr schon mal irgendwo begegnet war.
Sekunden später schaffte sie, was nur einer Handvoll Leute je gelungen war. Ohne dass sie jemand dazu aufgefordert hätte, nahm sie vor dem Schreibtisch Platz und machte ihn vollkommen sprachlos, als sie mit einem spitzbübischen Lächeln gut gelaunt erwiderte: »Tja, was kannst du für mich tun, Daddy ?«
7
Judd musste sichtlich schlucken. Einer seiner Wangenmuskeln zuckte, und er strich über das Kinn, während er um Fassung rang.
Stille hatte sich über den Raum gesenkt, und sie alle drei starrten Savannah an. Das mechanische Ticken der modernen Uhr an der Wand hinter dem Schreibtisch war das einzige Geräusch, das man vernahm.
Darcy unterzog das Mädchen einer Musterung. Natürlich war Judd mit seinem Geld eine beliebte Zielscheibe für einen derartigen Bluff. Nur … dass sie ihm mit ihrem roten Haar, den leuchtend blauen Augen und dem arroganten, kalten Blick geradezu verblüffend ähnlich sah. Sie musste einfach seine Tochter sein. Darcy versuchte, seine Reaktion von seiner Miene abzulesen, aber sein Gesicht war völlig ausdruckslos. Falls er über Savannahs Auftauchen erschüttert war, versteckte er es wirklich gut.
»Na, freust du dich, mich zu sehen?«, fragte Savannah Judd, wobei ihr ruhiger Ton in deutlichem Kontrast zu ihren nervös an ihren Jeans zupfenden Fingern stand.
»Alle raus hier!«, bellte Judd. Heidi stürzte eilig los und zog lautlos die Tür hinter sich ins Schloss, wohingegen Darcy einfach sitzen blieb.
»Ich meine es ernst.« Judd sah sie drohend an. »Raus.«
Zornig zerrte sie ihren Rock wieder bis auf ihre Knie und stürmte aus dem Raum.
Savannah blickte Judd mit einem gutmütigen Grinsen
an. »Das war bestimmt nicht deine Frau. Ehefrauen laufen nämlich selten ohne Unterwäsche rum.«
Judd war alles andere als amüsiert. »Erwartest du etwa allen Ernstes, ich würde einfach glauben, dass du meine Tochter bist? Woher zum Teufel soll ich wissen, ob das stimmt?«
»Obwohl die Ähnlichkeit zwischen uns beiden nicht zu übersehen ist?«, fragte sie cool zurück und zog dabei ein paar Papiere sowie eine Reihe Fotos von Judd und ihrer Mutter aus der Tasche. »Aber falls du einen DNA-Test machen lassen willst, bin ich sofort dabei.«
»Candi Summers«, murmelte Judd und kehrte in Gedanken in das New York der Achtzigerjahre zurück. Er hatte dort Kittys Geld in ein neues Unternehmen investiert – ein lukratives Striplokal –, und Candi hatte als Sängerin in einer nahegelegenen Bar gejobbt. Er starrte auf das Bild, auf dem sie ihr blondes Haar in Wellen à la Denver-Clan trug und auf dem ihr strassbesetztes Kostüm genauso ausgelaugt und müde aussah wie sie selbst.
Als er wieder auf Savannah sah, wurde ihm klar, warum sie ihm bereits bei ihrem Eintreten bekannt vorgekommen war. Sie hatte zwar sein rotes Haar und seine blauen Augen, die Nase, die Wangen und vor allem die Statur – die schmalen Schultern und die langen Beine – aber hatte eindeutig Candi ihr vererbt.
Judd fing an zu grinsen. Kitty hatte ihm damals wegen ein paar seiner
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