Was sich liebt das raecht sich - Roman
die Flasche ab. »Noch immer sauer auf Dad?«
Shay blies den Rauch von seiner Zigarette in Richtung der offenen Tür. »Wir sprechen noch nicht wieder miteinander, falls es das ist, was du meinst.«
»Dass du nicht zu Shamrock kommen sollst, hat er bestimmt nicht so gemeint«, erklärte sie ihm sanft. »Er war einfach wütend – und du weißt, dass er dann vollkommen neben sich steht. Weil es dir schließlich genauso geht.«
Shay bedachte sie mit einem bösen Blick, gab dann allerdings zu: »Wahrscheinlich hast du recht. Es ist nur … ich weiß, ich selber bin mein ärgster Feind, doch ich dachte, dass zumindest Dad Vertrauen zu mir hat.«
Iris drückte ihm die Flasche wieder in die Hand. »Du hast wahrscheinlich das Gefühl, als müsstest du ihm irgendwas beweisen – genauso geht’s mir nämlich auch.« Sie seufzte leise auf. »Er ist ein wunderbarer Vater und ich liebe ihn abgöttisch, aber manchmal geht er in dem Wunsch, uns beide zu beschützen, eindeutig zu weit.«
Shay richtete sich auf und fuchtelte mit seiner Zigarette durch die Luft. »Seit Judd Harrington hier ist, ist nichts mehr, wie es war. Bisher haben wir Dad immer geglaubt, wenn er behauptet hat, dass die Loyalität gegenüber der Familie das Wichtigste im Leben ist. Jetzt habe ich hingegen plötzlich das Gefühl, als würde er uns nicht mal weit genug vertrauen, um uns auch nur zu erzählen,
was es mit dieser Fehde auf sich hat.« Er hob die Weinflasche an seinen Mund. »Verfluchte Hölle, warum liegt uns nur so viel daran, dass er mit uns zufrieden ist?«
Iris sah den Bruder lächelnd an. »Es gibt sicher schlimmere Verbrechen. Aber wie sieht’s aus, kann ich dich dazu überreden, dass du doch noch mit zu Caities Theateraufführung kommst?«
Shay sah vor sich auf den Boden. »Nein, ich glaube nicht. Glaubst du, dass sie mich dafür bis ans Lebensende hassen wird?«
»Wie ich Caitie kenne, wage ich das ernsthaft zu bezweifeln. «
»Gut. Ich will ihren großen Auftritt nicht durch einen neuerlichen Streit mit Dad verderben, allerdings könnte es dazu augenblicklich kommen, wenn wir zwei im selben Zimmer sind.« Er wies mit dem Kopf in Richtung Glasdach und sah seine Schwester fragend an: »Lust auf eine kurze Runde ›Schmuddelsternbildraten‹, bevor du gehst?«
Ihr Bruder wollte einfach noch nicht, dass sie ging, wusste Iris und streckte ihre Hand nach der Rotweinflasche aus. »Okay. Obwohl du jedes Mal gewinnst, weil deine Fantasie einfach viel schmutziger als meine ist.«
»Wie kannst du so etwas behaupten?«, fragte er, sah sie jedoch mit einem dankbaren Lächeln an, bevor er auf das erste Sternbild wies. »Aber ich fresse einen Besen, wenn das nicht das allgemein bekannte Sternbild Skrotum ist.«
Caitie stand zitternd auf der selbstgebauten Bühne, spürte die kalte Nachtluft im Gesicht und blickte auf das Publikum, während sie ihre Zeilen sprach.
Gib dein Herz zur Ruh!
Das Feenland kauft mir dies Kind nicht ab!
Denn seine Mutter war aus meinem Orden
Und hat in Indiens gewürzter Luft
Gar oft mit mir die Nächte weggeschwatzt.
Dafür, dass sie sich am Vortag mehrmals übergeben und sich ein ums andere Mal Kate Winslet als Marianne Dashwood angesehen hatte, legte sie eine geradezu bewundernswerte Ruhe an den Tag.
»Ist sie nicht einfach wunderbar?«, flüsterte Tavvy Lochlin zu und schmiegte sich enger an ihn an. Ihr war klar, dass sie voreingenommen war, aber Caitie hatte tatsächlich Talent.
In ihrem herrlichen zartgrünen Kleid mit einem aus echten Blättern bestehenden Hemd über dem eng sitzenden Korsett und silbernem Glitter im Gesicht sah sie wirklich aus wie eine Feenkönigin. Sie machte möglichst viel aus ihrem Text, ohne es zu übertreiben, und wusste anscheinend ganz genau, wo ein Ausdruck von Gefühl und wo eher Zurückhaltung geboten war.
Tavvy blickte auf ihre zerstochenen Finger und stellte zufrieden fest: »Wenigstens steht ihr das Kostüm. Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan und diese verdammten Blätter alle einzeln angenäht.«
»Sie sieht fantastisch aus«, pflichtete ihr Lochlin geistesabwesend bei, und Tavvy sah ihn ängstlich von der Seite an.
Es belastete sie, dass sie noch immer nicht über Iris oder Shay mit ihm gesprochen hatte, und so nahm sie seine Hand und wollte ihm gerade alles sagen, als sich plötzlich Iris mit gerötetem Gesicht neben ihr auf die Sitzbank schob.
»Ich habe von hinten aus geguckt«, wisperte sie wahrheitsgemäß. »Als ich kam, wurden gerade die Lichter
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