Was sich liebt, das trennt sich: Roman (German Edition)
Jahren nicht um dich gekämpft?
Und jetzt war es schon Mittag. Inzwischen war klar, dass die Sedgwicks Frühaufsteher waren, und wenn sie jetzt noch badete, sich föhnte und schminkte, würde sich ihr Erscheinen in der Küche um weitere vierzig Minuten verzögern. Peggy beschloss deshalb hinunterzugehen, sich dafür zu entschuldigen, dass sie wieder verschlafen hatte, und sich dann erst zu waschen. Aber Miss Abigail stand nicht auf ihrem Platz auf dem abgenutzten Linoleum vor der Spüle; und Luke raschelte nicht mit dem Courant oder der Litchfield County Times. Ein Zettel lag auf dem Tisch unter einer Zuckerdose, die zu dem blauweißen Porzellanservice der Sedgwicks gehörte:
Liebe Peggy,
Luke erledigt einige Sachen. Ich bin in der Kirche.
Deine
Abigail A. S. Sedgwick
Peggy seufzte. Von allen Pflichten, die sie hätte verschlafen können, war der Kirchgang mit ihrer neuen Schwiegergroßtante vermutlich besonders ungeeignet. Sie konnte nur hoffen, dass ihre Party-Häppchen das wieder ausglichen, und stellte sich vor, wie beeindruckt Miss Abigail sein würde, wenn sie von ihren berühmten würzigen mediterranen Artischocken-Happen probierte und ihr dabei versicherte, dass sie die Kirche ruhig schwänzen durfte, wenn sie so himmlisch kochen konnte.
Sie schlenderte durch die leeren Räume zu einer seitlich verglasten Veranda, die sie gestern hinter dem Haus entdeckt hatte: ein friedlicher Platz, an dem man im Schaukelstuhl sitzen und die Vögel beobachten konnte, die an einem Sommermorgen im Garten herumflogen. Aber die kalte Oktoberluft kroch durch den filigran gewebten Stoff von Peggys Pullover, und plötzlich fühlte sie sich schrecklich verlassen. Sie lief wieder hinein, und ihre Schritte hallten durch das grabesstille Haus, während sie an der Küche vorbei durch den großen Salon ging, den sie gestern Abend gründlich geputzt hatte, und dann die Treppe hinauf - die dritte Stufe von unten knarrte geisterhaft - bis in den obersten Stock.
Lukes Ballsaal-Arbeitszimmer, das direkt an der Treppe lag, befand sich im Westteil des Hauses und ging zur Straße hinaus. Peggy kannte die anderen Räume auf ihrer Seite des zweiten Stocks, brannte jedoch vor Neugier auf das, was in dem Flur im nördlichen Teil des Hauses lag. Lukes Schlafzimmer war dort, aber was noch?
Es gab keinen Grund, warum sie das nicht herausfinden sollte. Sie schlich am Ballsaal vorbei in das unerforschte nördliche Territorium.
Es war düster dort, und es dauerte eine Weile, bis sie zwei geschlossene Türen ausmachen konnte. Peggy öffnete die erste und stellte fest, dass das Zimmer dahinter nichts enthielt außer ein paar zerbeulten, mit Klebeband verschlossenen Kartons. Sie ging weiter zur nächsten Tür, wollte sie öffnen, zögerte jedoch. Leise klopfte sie an. Das musste Lukes Zimmer sein. »Jemand zu Hause?«
Die Frage hallte durch den langen Flur.
Peggy floh, rannte zurück zu Lukes Arbeitszimmer. Eine der Doppeltüren war nur angelehnt, und sie hielt mit klopfendem Herzen inne und stieß mit der Fingerspitze gegen die Tür. Sie öffnete sich mit einem kraftlosen Knarren ein paar Zentimeter. Peggy flüsterte. »Bist du da drin?«
Eine geräuschlose Bewegung hinter ihr. Luke! Peggy fuhr herum, voller Adrenalin, doch er war nicht zu sehen.
Einmal hatte ein ausländischer Tourist im Laden Gänsehaut als »Geisterhaut« bezeichnet. Der Ausdruck fiel Peggy wieder ein, als sich die Haut auf ihren Armen erhob. Wenn es so etwas wie Geister gab, dann wohnten Generationen davon in diesem Haus - böse Geister, für die sie nichts als ein Eindringling sein konnte, eine Sedgwick-Hochstaplerin.
»Das ist absurd«, sagte sie, und weil sie das Echo diesmal erwartete, machte es ihr keine Angst. Jedenfalls nicht so viel. Sie schlüpfte in den Ballsaal. Womit verdiente Luke eigentlich seinen Lebensunterhalt? Sie hatte vergessen, ihn das zu fragen. Irgendwie wollte sie mehr über ihn erfahren. Sie musste ja etwas in ihm gesehen haben an jenem Abend in Las Vegas.
Auf Lukes Schreibtisch lagen viele Papiere auf unordentlichen Stapeln. Ein Bleistift, dessen Spitze aussah, als wäre sie geschnitzt und nicht gespitzt worden, lag neben einem Haufen Büroklammern. Peggy hob ein abgewetztes Brillenetui hoch, betrachtete es und legte es wieder weg.
Auf dem Computer verwandelte sich ein geometrischer Bildschirmschoner von einem Würfel in eine Kugel in eine Spirale und wieder zurück. Peggy drückte eine Taste; auf dem Bildschirm erschien eine Liste mit
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