Was sich neckt, das küsst sich (German Edition)
versprochen, es dir zu vererben.“
May nickte. Das Brot sprang aus dem Toaster. Sie legte die Scheibe auf einen Teller, bestrich sie mit ein wenig Butter und brachte sie zu Heidi.
„Das hat er. Ich rede nicht gerne schlecht über die Toten, aber er war ein gemeiner alter Mann. Ich habe ihm geglaubt und vertraut, und am Ende habe ich alles verloren. Als er starb und sich herausstellte, dass er die Ranch an entfernte Verwandte vererbt hatte, war ich am Boden zerstört. Ich musste ausziehen. Vermutlich hätte ich in Fool‘s Gold bleiben sollen, wo ich Freunde hatte, aber ich fühlte mich zu gedemütigt.“
„Du hast doch nichts falsch gemacht.“
May setzte sich ihr gegenüber. „Das weiß ich jetzt auch, aber damals kam ich nicht darüber hinweg, dass Mr Castle mich ausgenutzt hatte. Nur ein paar Jahre zuvor habe ich meinen Mann verloren und dann auch noch die Ranch. Also sind wir umgezogen und haben noch einmal neu angefangen.“
Heidi knabberte an dem Toast. Ihre Kopfschmerzen hatten ein wenig nachgelassen. Unglücklicherweise war sie ohne das Pochen nun allerdings in der Lage, sich Mays Misere deutlicher vorzustellen. Vier kleine Kinder, kein Zuhause, kein Geld. Eine ziemlich verzweifelte Lage.
„Du musst aber irgendetwas richtig gemacht haben. Sieh dir nur deine Kinder an.“
May lachte. „Sie sind alle großartig, und obwohl ich dafür gerne die Lorbeeren einheimsen würde, haben sie doch das meiste ganz allein von sich aus erreicht. Rafe ist in Harvard gewesen.“
„Ich habe das Foto gesehen.“
„Shane ist ein wahrer Pferdeflüsterer. Er züchtete sie und baut sich gerade eine eigene Herde auf. Clay …“
Heidi streckte die Hand über den Tisch aus. „Ich weiß von Clay. Er ist sehr erfolgreich.“
In Mays Augen funkelte es amüsiert. „Rafe ist damit gar nicht einverstanden, also versuche ich, in seiner Gegenwart nicht über Clay zu sprechen, aber ich finde es ehrlich gesagt lustig. Mein Sohn, das Hinternmodel. Er verdient gut damit.“
„Was vermutlich der Teil ist, der Rafe ärgert.“
„Stimmt.“
Der Timer piepte. May ging zum Ofen und öffnete die Tür. Kopfschüttelnd betrachtete sie die ungebackene Seite des Kuchens. „Ups. Ich habe vergessen, ihn zwischendurch zu drehen.“ Sie wendete die Kuchenform um hundertachtzig Grad und stellte die Uhr erneut. „Dieses alte Haus. Hier muss einiges erneuert werden.“
„Zum Beispiel der Ofen.“
„Und der Heißwasserboiler.“
Heidi wollte nicht darüber nachdenken, warum May mehr heißes Wasser benötigte als der Durchschnittsmensch. Aber sie kannte die Antwort. Zu zweit zu duschen dauerte meistens länger. Es kostete sie einige Mühe, das Bild aus ihrem Kopf zu kriegen. Mit einem großen Schluck Kaffee trank sie sich etwas Mut an.
„May, du bist wirklich eine tolle Frau.“
May lehnte sich gegen die Arbeitsplatte. „Das ist ein verdächtiger Satzanfang. Wenn du meine Ärztin wärst, würde ich wissen, dass ich nicht mehr lange zu leben habe.“
„Es geht um Glen. Ich mache mir Sorgen um dich. Er hört nicht auf mich, aber ich hoffe, du tust es.“
„Du hast Angst, dass er mir das Herz bricht.“
„Ja.“
May nickte. „Es ist süß von dir, dir Sorgen zu machen. Glen hat mich auch schon gewarnt. Dass er nicht der Typ ist, der sich irgendwo niederlässt. Dass ich eine Frau bin, die etwas Dauerhaftes sucht.“ Mit der Hand fuhr sie sich durch die kurzen dunklen Haare. „Mein Mann ist vor über zwanzig Jahren gestorben. Ich habe akzeptiert, dass ich mich nie wieder jemandem so nahe fühlen werde wie ihm. Er hat mir meine Jungen geschenkt, und er wird immer meine erste große Liebe bleiben. Aber es ist an der Zeit, dass ich ein wenig an mich denke.“ Sie lächelte. „Ich will Glen nicht heiraten, Heidi. Ich will ein wenig Spaß haben, und er ist genau der richtige Mann, um mir zu zeigen, wie das geht.“
Zu viel an Information, dachte Heidi. Viel zu viel!
Die Eieruhr meldete sich erneut. May zog den Kuchen heraus. Er war immer noch ein wenig schief, aber nicht mehr ganz so sehr.
„Vielleicht hilft ein Guss?“, schlug Heidi vor. „Und ein paar Streusel?“
May lachte. „Du bist ein Mädchen ganz nach meinem Geschmack. Welche Krise könnte nicht mit Zuckerguss und ein paar Streuseln gelöst werden?“
Heidi wusste, dass sie auch lachen sollte, doch in genau diesem Augenblick überkam sie auf einmal ein überwältigendes Gefühl von Verlust. Sie hatte sich immer eingeredet, dass sie nicht vermissen konnte, was
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