Was sie nicht weiss
leuchtet ein, aber ein erwachsener Mensch ist doch vorsichtiger, oder?«
Fred sieht sie von der Seite an. »Meinst du, sie ist gesprungen?«
»Entweder das, oder sie wurde gestoßen.«
Durch die Drehtür betreten sie das Krankenhaus, folgen den Schildern zur Notaufnahme und fragen dort nach dem behandelnden Arzt.
Kurz darauf kommt ein älterer Mann im weißen Kittel auf sie zu.
»De Graaf«, stellt er sich vor und gibt beiden die Hand. »Sie kommen wegen der Patientin, die ins Wasser gefallen ist?«
»Genau«, sagt Fred. »Wie geht es Frau Scholten inzwischen?«
»Verhältnismäßig gut«, meint der Arzt. »Anfangs hatten wir befürchtet, sie könnte Wasser in die Lunge bekommen haben, aber das war glücklicherweise nicht der Fall, wie sich beim Röntgen gezeigt hat. Wir würden sie gern sicherheitshalber noch einen Tag zur Beobachtung hierbehalten.«
»Können wir mit ihr sprechen?«, fragt Fred.
»Ja, aber bitte nur kurz.«
»Selbstverständlich.«
»Dann bringe ich Sie zu ihr.«
Sie folgen de Graaf durch den Flur.
Lois hatte damit gerechnet, Maaike an diverse Geräte angeschlossen vorzufinden, aber das ist nicht der Fall. Sie liegt, wenn auch blass, in einem gewöhnlichen Krankenhausbett.
»Guten Tag, Frau Scholten. Wie geht es Ihnen?« Fred bemüht sich um einen weder zu ernsten noch zu lockeren Tonfall und bleibt ein wenig unbeholfen am Fußende stehen.
Lois zieht einen Hocker heran und setzt sich ans Bett.
Maaike wendet ihr das Gesicht zu und versucht ein Lächeln.
»Wir sind sehr erschrocken, als wir erfahren haben, dass Sie in die Klinik eingeliefert wurden«, sagt Lois. »Was ist denn genau passiert?«
»Ich weiß es nicht mehr.« Langsam hebt Maaike die Hand und fährt sich über die Stirn. »Auf einmal lag ich im Wasser. Es war kalt, eiskalt. Die nassen Kleider haben mich runtergezogen. Ich wollte schwimmen, konnte mich aber wegen der Kälte kaum bewegen. Dann sprang jemand in den Kanal und hat mich gepackt, mit so einem Rettungsgriff.«
Lois nickt. »Wissen Sie denn noch, warum Sie sich so nah am Wasser befanden?«
»Nein.«
»Aber es muss doch einen Grund dafür gegeben haben.« Fred steht noch immer am Fußende, jetzt mit gefurchter Stirn, wie immer, wenn er angestrengt überlegt.
Maaike scheint seinen Gesichtsausdruck jedoch als Misstrauen zu werten.
»Ich kann nichts dazu sagen, Punkt!«, sagt sie schroff.
»Wissen Sie vielleicht noch, weshalb Sie in dieser Gegend waren?«, versucht Lois es erneut.
Maaike schließt die Augen.
»Tut das etwas zur Sache?«, fragt sie leise.
»Eigentlich nicht, ich wüsste nur gern, wie es zu dem Sturz kommen konnte. Zwischen dem Bürgersteig und der Kaimauer liegt die Straße. Warum haben Sie die überquert?«
»Wie soll ich das wissen, wenn mir nicht mal klar ist, dass ich rübergegangen bin?«
»Aber es muss doch einen Moment gegeben haben, in dem …«
»Ich hab manchmal Blackouts«, fällt Maaike ihr ins Wort. »Dann bin ich kurze oder auch längere Zeit völlig weg und kann mich hinterher an nichts erinnern.«
Lois wirft Fred einen schnellen Blick zu. Sie hat ihm von den Psychologiebüchern in Maaikes Atelierwohnung erzählt, die jetzt eine ganz neue Bedeutung erhalten.
»Wissen Sie, woher diese Blackouts kommen?«, fragt sie. »Sie waren deswegen doch bestimmt in Behandlung.«
»Ja. Der Therapeut meinte, sie hingen damit zusammen, dass ich den Tod meiner Eltern nie richtig verarbeitet habe. Die sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen.«
»Das ist uns bekannt. Sie waren damals noch sehr jung, nicht wahr?«
»Elf.«
»Und seitdem haben Sie diese Blackouts?«, erkundigt sich Fred.
»Nicht ständig. Nur bei großem Stress oder wenn ich mich über etwas sehr aufrege.«
»War das vor dem Sturz ins Wasser der Fall?«
»Nein, das ist es ja, was ich selber nicht verstehe.«
»Sind Sie noch in psychologischer Behandlung?«, fragt Fred.
»Nicht mehr. Der Therapeut konnte letztlich nichts für mich tun, deshalb bin ich nicht mehr hingegangen.«
»Vielleicht sollten Sie es noch einmal versuchen, bei jemand anderem, der Ihnen vielleicht besser helfen kann.«
Vom einen Moment zum anderen verändert sich Maaikes Gesichtsausdruck. Zweifel und Unsicherheit wandeln sich in Argwohn und Wut.
»Nein.« Ihre Stimme klingt hart. »Da kriegt mich keiner mehr hin! Gehen Sie jetzt bitte, ich hab Kopfschmerzen.« Demonstrativ schließt sie die Augen und wendet den Kopf ab.
Lois steht auf. »Danke, dass Sie mit uns gesprochen haben. Wir reden
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