Was sie nicht weiss
ein andermal weiter.«
»Wenn du mich fragst, hat sie einen Suizidversuch unternommen«, sagt Fred, als sie den Raum verlassen haben. »Wenn es ein Unfall war, könnte sie es doch sagen, oder?«
Langsam, fast widerwillig geht Lois den Flur entlang. Sie hätte gern länger mit Maaike geredet, aber es wäre vermutlich sinnlos gewesen. Zudem hatte der Arzt sie ja gebeten, sich kurz zu fassen.
»Ich weiß nicht, was ich davon halten soll«, sagt sie. »Meinst du, es ist möglich, dass man bei solch einem Blackout im Wasser landet? Ich würde immer denken, dass das Unterbewusstsein einen vor so etwas schützt, ähnlich wie beim Schlafwandeln.«
Nachdenklich verlassen sie das Krankenhaus und steigen ins Auto.
»Ich frage mich, warum wir immer wieder auf Maaike Scholten zurückkommen«, sagt Lois. »Wir haben zwei Morde aufzuklären und suchen nach einer Frau namens Tamara, befassen uns aber ständig mit dieser Maaike. Auch unabhängig davon, dass die Sache mit den Flyern noch ungeklärt ist. Warum?«
»Weil sie Tamara kennt«, erwidert Fred und lässt den Motor an. »Ebenso Hoogland und seine beiden Freunde. Ich denke, sie schützt die Frau.«
»Aber wieso sollte sie? Nur weil sie früher mal befreundet waren? Oder meinst du, sie sind es noch heute?«
»Eher nicht, jedenfalls nicht im üblichen Sinn. Mir scheint, Maaike weiß mehr, als sie zugibt, will uns das aber nicht sagen.«
»Wenn sie Tamara nicht verraten will, ist das doch ein Zeichen echter Freundschaft, findest du nicht?«
»Mir kommt es vor, als säßen die beiden im gleichen Boot. Was Tamara damals erlebt hat, könnte auch Maaike passiert sein. Die eine hat sich gerächt, die andere weiß es und hält dicht.«
»Und was ist, wenn die andere nicht länger ihren Mund halten will?«
»Dann haben die beiden ein Problem miteinander«, sagt Fred. »Ein Problem, das sich beispielsweise dadurch lösen lässt, dass man die Betreffende ins Wasser stößt.«
In Lois’ Ohren summt es hartnäckig, wie oft, wenn sie das Gefühl hat, etwas zu übersehen. Auf dem Weg zum Revier überlegt sie fieberhaft, was es sein könnte.
Als sie wieder am Schreibtisch sitzt, hat das Summen aufgehört. Zurück bleibt das frustrierende Gefühl, dass sie kurz vor einer wesentlichen Erkenntnis stand.
30
Am nächsten Tag wird Maaike aus der Klinik entlassen, da der Arzt nun sicher ist, dass sie keinen Schaden davontragen wird.
Mit langsamen, schweren Schritten steigt sie die steile Treppe empor und schließt die Tür zu ihrer Speicheretage auf.
Es hätte nicht viel gefehlt, und sie wäre nie mehr hierher zurückgekommen. Das lähmend kalte Wasser hätte all ihre Probleme mit einem Schlag lösen können, doch nicht einmal das war ihr vergönnt.
Der große Raum ist ausgekühlt. Maaike stellt die Heizung höher und setzt Teewasser auf.
Kurz darauf steht sie mit einer Tasse dampfendem Kräutertee am Fenster und blickt auf die Gracht hinab. Es hat zu hageln begonnen, das Pflaster ist mit weißen Körnchen übersät.
Eine ganze Weile verharrt sie so. Nicht um die winterliche Straßenszene zu genießen, sondern weil sie erschöpft und unendlich müde ist. Geist und Glieder sind wie taub – Pläne zu schmieden oder auch nur über den nächsten Schritt nachzudenken scheint unmöglich. Den Dingen ihren Lauf lassen, denkt sie resigniert, das ist letztlich auch eine Art Entschluss. Aber was kommt dann auf sie zu? Gibt es notfalls noch einen Ausweg?
Plötzlich fällt ihr das Fahrrad ein: Es steht noch vor Tama ras Haus. Aber da die Kripo-Leute nicht wissen, dass es ihr gehört, werden sie nicht nachforschen. Ob sie sich darüber freuen soll? Sie weiß es nicht …
Gerade als Maaike beschlossen hat, sich ein wenig hinzulegen, sieht sie Danielas Auto heranfahren. Sie ist also wieder zurück.
Trotz aller Müdigkeit freut sie sich auf ihre Freundin. Bei Daniela kann sie sich aussprechen und muss nicht mehr das Gefühl haben, gleich platze ihr der Kopf. Damals an der Kunstschule waren sie oft zusammen, und es dauerte nicht lange, bis Daniela das eine oder andere auffiel. Daraufhin hatte Maaike sich entschlossen, ihr die Wahrheit zu sagen.
»Behalt das bloß für dich, Maaike«, hatte Daniela geraten. »So was verstehen die meisten Leute nicht. Du bekommst nur Probleme, wenn du es herumerzählst.«
»Aber was soll ich tun?«, hatte sie gefragt.
»Malen, so viel und so oft es geht. Leb dich in Bildern aus, das ist besser als jede Therapie. Du malst, und ich verkaufe.«
Schon vor dem
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