Was sie nicht weiss
Vielleicht hat sich Danielas Gewissen geregt, und Maaike wollte verhindern, dass sie redet. Das wäre ein nachvollziehbares Motiv.«
»Du glaubst also, Maaike hat die beiden Männer getötet oder weiß, wer es war, und Daniela ebenfalls.«
»Du etwa nicht?«
Lois denkt kurz nach. Freds Gedankengang ist überzeugend, dennoch hat sie das Gefühl, dass etwas an der Sache nicht passt. »Daniela kannte Tamara also auch …«, sagt sie nachdenklich.
»Ich bin sicher, die beiden stecken unter eine Decke. Maaike und Tamara, meine ich. Jedenfalls insofern, als die eine die andere schützt. Maaike hat zwar behauptet, sie sei lediglich Zeugin von Tamaras Vergewaltigung gewesen, aber vielleicht ist ihr ja bei einer dieser Pokerpartys das Gleiche passiert. Das gemeinsame Trauma hat die zwei zusammengebracht und dazu getrieben, sich zu rächen. Eine dahin gehende Vermutung hatten wir ja schon einmal in Betracht gezogen.«
»Aber die Rache käme demnach erst nach vielen Jahren. Warum nicht gleich?«
»Weil sie noch sehr jung waren. Vermutlich haben sie versucht, einfach weiterzumachen wie bisher, aber so ein schlimmes Erlebnis vergisst man nicht einfach. Über die Jahre hat es innerlich an ihnen gefressen wie ein eitriges Geschwür, und als sie einander wiederbegegnet sind, haben sie beschlossen, ihre Peiniger zu bestrafen.«
»Und Daniela hat das herausgefunden, aber geschwiegen.«
»So könnte es gewesen sein«, sagt Fred, »sehr wahrscheinlich sogar, aber ohne Beweise ist das reine Theorie.«
»Wenn wir uns jetzt noch einmal gründlich mit Maaikes Leben beschäftigen, müssten wir also auf eine Verbindung mit Tamara in der jüngeren Vergangenheit stoßen. Wer weiß, vielleicht finden wir die Antwort oben im Atelier.«
Während sie auf Ramons Rückruf warten, gehen sie auf dem Bürgersteig auf und ab. Endlich klingelt Freds Telefon: Der Durchsuchungsbefehl ist genehmigt.
Kurz darauf erscheint Ramon selbst am Tatort, und Minuten später trifft auch die Staatsanwältin ein, die bei der Durchsuchung anwesend sein muss.
Die Tür ist unverschlossen. Anscheinend hatte Maaike es sehr eilig, als sie das Haus verließ. Auf den ersten Blick wirkt der große Raum wie beim letzten Mal, zunächst deutet nichts darauf hin, dass die Bewohnerin mit größerem Gepäck aufgebrochen ist.
Lois und Fred machen sich unverzüglich an die Arbeit. Sie durchsuchen den Kleiderschrank, inspizieren Kommodenschubladen, greifen in die Ritzen von Sofa und Sesseln, verrücken Möbelstücke und prüfen den Boden auf lose Dielen. Es findet sich jedoch nichts, was ihnen weiterhelfen könnte: keine Post, kein Adressbuch, und der Papierkorb neben der Spüle enthält nur verdorbene Lebensmittel, Kaffeesatz und Plastikverpackungen.
»Komisch, nirgendwo etwas Persönliches«, bemerkt Fred.
»Sie war vorbereitet«, sagt Lois. »Ihr muss klar gewesen sein, dass die Wohnung eines Tages durchsucht wird, deshalb hat sie alles Belastende rechtzeitig verschwinden lassen.« Nachdenklich lässt sie den Blick schweifen. »Der Klei derschrank, Fred«, sagt sie plötzlich. »Hast du gesehen, was da für Sachen drinhängen? Spitzenblusen und Miniröcke, das meiste in Schwarz, und unten stehen mehrere Paar hochhackige Schuhe. In solcher Kleidung habe ich Frau Scholten bisher nie gesehen, sie passt auch gar nicht zu ihr.«
»Vielleicht gehören die Sachen nicht ihr, sondern den Vermietern.«
»Das halte ich für ausgeschlossen. Man lässt doch nicht die eigenen Kleider im Schrank, wenn man vermietet.«
»In dem Fall hat Maaike Scholten noch eine zweite Seite, und zwar eine ganz andere als die, die wir kennen«, spekuliert Fred und bückt sich noch einmal, um unters Bett zu schauen. »Sieht so aus, als hätte sie uns die ganze Zeit etwas vorgemacht. Zu dumm, dass sie nicht versehentlich ihr Handy oder ihren Laptop hat liegen lassen«, brummt er.
Nachdem er sich wieder aufgerichtet hat, sieht er Lois triumphierend an: »Aber wir haben Frau Amieris Handy, und darin findet sich mit Sicherheit ihre Nummer. Also können wir anrufen.«
Eine Befragung der Anwohner ergibt, dass Daniela Amieri gegen Mittag ihr Auto direkt vor dem Haus abgestellt hatte.
»Und zwar so, dass es zwei Parkplätze in Beschlag genommen hat«, berichtet ein Mann aus dem Nebenhaus. »Eigentlich wollte ich sie darauf ansprechen, aber da war sie schon ins Haus gestürmt. Und jetzt ist sie tot, sagen Sie. Von der Treppe gefallen. Kein Wunder bei den steilen Trep pen hier. Wenn ich mich nicht immer gut
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