Was sie nicht weiss
Amieri ist dort gefunden worden, tot.«
»Was???«
»Ich konnte es erst auch nicht glauben. Ein Treppensturz, wie’s aussieht.«
»Und wo ist Maaike?«
»Spurlos verschwunden. Komm her, alles Weitere dann.«
In einer Viertelstunde kann sie dort sein, kalkuliert Lois rasch.
Was ist da passiert? Ist Daniela wirklich gestürzt, oder wurde sie gestoßen? Und was hat Maaikes Verschwinden zu bedeuten? Ist sie geflohen oder womöglich entführt worden? Ist sie Täterin oder Opfer? Lauter Fragen, auf die es noch keine Antworten gibt.
Kurz darauf hat Lois die Verdronkenoord erreicht und stellt ihr Auto im Halteverbot ab – für langes Suchen nach einem Parkplatz ist jetzt keine Zeit. Das letzte Stück Weg rennt sie.
Vor dem Haus haben sich Schaulustige eingefunden und spähen neugierig über das Absperrband. Lois zeigt ihren Dienstausweis vor, steigt über das Band und geht auf die offene Haustür zu. Sie sieht Daniela im Flur liegen.
Da die Spurensicherung noch vor Ort ist, muss sie mit den anderen auf dem Bürgersteig warten.
»Wer hat sie gefunden?«, fragt Lois, ohne sich lange mit Begrüßungen aufzuhalten.
»Ein Nachbar«, antwortet Fred. »Er hat Lärm und Schreie gehört, doch als er klingelte, machte niemand auf. Kurz darauf sah er, wie Maaike Scholten in Danielas Auto stieg und davonfuhr. Das hat ihn gewundert, deshalb hat er durch den Briefschlitz geschaut und Frau Amieri liegen sehen.«
»Ein Unfall? Oder wurde sie gestoßen?«
»Das wissen wir noch nicht«, antwortet der Rechtsmediziner Andriesse. »Mal sehen, ob sich Hinweise auf einen Kampf finden. Wie sieht’s aus? Seid ihr fertig?«, fragt er einen der Spurensicherer.
Der zeigt ihm eine Plastiktüte. »Das lag neben der Leiche.«
»Können wir jetzt rein?«, drängt Fred.
»Einen Augenblick, nur noch ein paar Fotos.«
Als der Mann mit der Kamera ihnen ein Zeichen gibt, betreten sie das Haus. Fred als Erster, dann Andriesse. Der Arzt geht neben der Toten in die Hocke und nimmt sie in Augenschein, während Fred und Lois sich im Treppenhaus und im Flur umsehen. Letzterer ist leer, bis auf ein Tischchen mit Spiegel darüber und einen Schirmständer.
»Sieht so aus, als wäre die Frau gestolpert und hätte sich am Geländer festhalten wollen«, meint Fred. »Da an der Wand sind Blutspuren, und sie hat eine Schürfwunde.« Er deutet auf Danielas Arm.
»Richtig. Aber mit den Augen stimmt was nicht«, sagt Andriesse. »Es kommt vor, dass man sie vor Schreck aufreißt, aber was mich stutzig macht, sind die vielen roten Pünktchen auf den Augäpfeln.«
Fred und Lois beugen sich vor, um besser sehen zu können.
»Geplatzte Äderchen«, stellt Lois fest. »Die können nicht von dem Sturz herrühren.«
»Genau«, sagt Andriesse. »Ich gehe davon aus, dass sie erstickt worden ist, und zwar mit der Plastiktüte, die hier lag. So was lässt sich nachweisen … ist die Spurensicherung schon weg?«
Fred richtet sich auf und eilt nach draußen. »He!«, ruft er. »Wir brauchen die Plastiktüte!«
Der Kollege, der bereits am Auto war, kommt wieder ins Haus.
»Sieh mal nach, ob sich Spuren finden, dass die Frau mit der Tüte erstickt wurde«, bittet Fred.
Mit behandschuhten Händen hält der Mann die Plastiktüte hoch und unterzieht sie einer genauen Musterung.
»Falls Speichel dran ist, dann ist er getrocknet«, meint er. »Da kann nur eine Laboruntersuchung Aufschluss geben. Aber schaut das Ding mal genauer an.« Er hält ihnen die Tüte hin, auf der deutlich eine Ausbuchtung zu sehen ist, wie von einer Nase.
33
Am liebsten wäre Lois sofort nach oben gestürmt, um die Speicheretage gründlich zu durchsuchen, doch Fred muss erst ihren Vorgesetzten anrufen, um einen Durchsuchungsbefehl zu erwirken. Währenddessen wird Daniela Amieri, in einen Leichensack verpackt, aus dem Haus getragen.
»Wir müssen uns ein wenig gedulden.« Fred steckt das Handy ein und zieht eine Grimasse. »Die Staatsanwältin speist mit ihrer Familie in einem Restaurant. Wahrscheinlich hat sie es nicht gern, wenn sie dabei gestört wird.«
Lois runzelt die Stirn. »Ich habe es auch nicht gern, meinen freien Abend hier zu verbringen. Und Frau Amieri hat den Abend bestimmt auch ungern so verbracht.«
Schweigend stehen sie im Flur und warten.
»Ich kann kaum glauben, dass das Maaike gewesen sein soll«, sagt Lois. »Diese Daniela war doch ihre beste Freundin.«
»Womöglich war genau das der Grund, sie umzubringen. Beste Freundinnen wissen oft mehr über einen, als gut ist.
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