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Was sie nicht weiss

Was sie nicht weiss

Titel: Was sie nicht weiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone van Der Vlugt
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Scholten, Besuch für Sie!«, ruft sie laut.
    Am Fenster verschwindet der alte Mann fast in einem viel zu großen Ohrensessel.
    Als Jessica eintreten will, hält Lois sie am Arm fest. Auch in Heimen sollte, so findet sie, die Privatsphäre der Bewohner respektiert werden. Sie fände es ja auch sehr störend, wenn man einfach unaufgefordert in ihr Zimmer käme.
    »Dürfen wir reinkommen, Herr Scholten?«, fragt sie.
    »Wie bitte?« Er hält die Hand ans Ohr.
    »Ob wir reinkommen dürfen.«
    »Wer sind Sie?«
    Lois geht auf ihn zu und reicht ihm die Hand.
    »Ich heiße Lois Elzinga und arbeite bei der Polizei. Und das hier ist meine Kollegin Jessica Blanken.«
    »Polizei?« Ein erstaunter Blick.
    »Wir würden gern kurz mit Ihnen sprechen.«
    »Bitte setzen Sie sich.« Seine mit Altersflecken übersäte Hand zittert, als er auf das Sofa deutet.
    Jessica und Lois setzen sich neben den ohne Ton laufenden Fernseher. Durchs Fenster blickt man auf ein von der Wintersonne beschienenes Stück Rasen mit einem Teich und hohen alten Bäumen.
    »Eine schöne Aussicht haben Sie.«
    »Ja, das viele Grün hat was.« Er fixiert Lois und Jessica. »Sie kommen also von der Polizei. Warum sind Sie hier?«
    »Wir möchten Ihnen ein paar Fragen über Ihre Enkelin stellen«, sagt Jessica.
    Lois wirft ihr einen warnenden Blick zu, den sie jedoch ignoriert.
    »Es geht um Maaike? Ist ihr etwas zugestoßen?«
    »Nein«, beruhigt Lois. »Wir sind wegen eines Falls, an dem wir gerade arbeiten, mit ihr im Gespräch.«
    Mit wachen blauen Augen mustert Herr Scholten sie. »Was für ein Fall ist das?«
    »Darüber dürfen wir leider keine Auskunft geben, weil …«
    »Dann erfahren Sie auch nichts von mir«, fällt er ihr ins Wort.
    Das Gespräch gestaltet sich schwieriger als erwartet. Lois holt tief Luft, doch ehe sie etwas sagen kann, beugt Jessica sich vor: »In diesem Monat sind drei Morde passiert. Drei junge Menschen wurden umgebracht, und Maaike kannte sie.«
    »Ist meine Enkelin verdächtig?« Wieder der scharfe, taxierende Blick.
    Lois funkelt Jessica wütend an, damit sie sich zurückhält. Diese blinzelt irritiert, anscheinend hat sie endlich begriffen.
    »Für uns ist es wichtig, mit allen Leuten zu sprechen, die die Opfer gekannt haben«, fährt Lois fort. »Also auch mit Ihrer Enkelin. Wir haben sie gestern aber nicht angetroffen. Sie scheint ihre Wohnung in großer Eile verlassen zu haben.«
    »Und nun wollen Sie von mir wissen, wo sie steckt? Ich bin der Letzte, der Ihnen da helfen könnte. Hier taucht sie allenfalls ein Mal im Jahr auf.« In seiner Stimme schwingt Bitterkeit mit.
    »Hat Maaike sich zufällig dieser Tage telefonisch gemeldet?«
    »Sie ruft nie an.«
    »Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?«
    »Das dürfte fast ein Jahr her sein.«
    »Und in der Zwischenzeit hatten Sie gar keinen Kontakt mit ihr?«
    »Nein, das sagte ich doch gerade. Ich hoffe, ich muss mich nicht immer wiederholen.«
    Lois hat zwar nicht damit gerechnet, von Maaikes Groß vater etwas Spektakuläres zu erfahren, ist aber doch enttäuscht. Sie entschließt sich, die Befragung – nach Jessicas ungeschicktem Auftakt – im Plauderton fortzusetzen, als würden sie ihn einfach so besuchen.
    »Wir wissen von Maaike, dass sie einige Zeit bei Ihnen und Ihrer Frau gewohnt hat. Es war sicherlich nicht einfach für Sie beide, eine Elfjährige aufzunehmen.«
    »Wir hatten keine Wahl. Maaikes Eltern, also mein Sohn und meine Schwiegertochter, sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Maaike saß mit im Wagen und wurde verletzt. Als sie aus der Klinik kam, musste sie ja irgendwohin. Was hätten wir da tun sollen – sie in ein Heim stecken?«
    »Verstehe. Wie war denn das Zusammenleben mit ihr?«
    »Anfangs lief es ganz gut, obwohl Maaike schwer traumatisiert war. Der Unfall ist auf einer wenig befahrenen Nebenstraße passiert. Mein Sohn ist gegen einen Baum gefahren, das Auto war völlig zerquetscht. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis jemand vorbeikam und Hilfe holte. Die ganze Zeit über war Maaike auf dem Rücksitz hinter ihren toten Eltern eingeklemmt. Sie wurde danach psychologisch betreut, aber ich bin nicht sicher, ob das geholfen hat. Eine Zeit lang hatte ich den Eindruck, dass es ihr recht gut ging, aber nach zwei, drei Jahren fingen die Probleme an. Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass sie mitten in der Pubertät war, jedenfalls kam sie uns wie eine Fremde vor.«
    »Hat sich ihr Verhalten geändert?«, fragt Lois.
    »Das kann man wohl

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