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Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Titel: Was Sie schon immer über 6 wissen wollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
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erobern, verfolgte Coca-Cola Deutschland vor etwa zehn Jahren. Das Branding lief über die vorgeblich optimale Trinktemperatur, „Coke bei 3 °C“ lautete damals der Claim. Mit der neuerlichen Internationalisierung und Zentralisierung der Markenkommunikation in Atlanta war dieser Ansatz allerdings vom Tisch, bevor er ins kollektive Unbewusste einsickern konnte.
    Stattdessen zählte man im Cola-Segment weiter herunter. Ende der 1990er Jahre war angesichts eines steigenden Ernährungsbewusstseins der Marker „Diät“ anscheinend nicht mehr zugkräftig genug, und Pepsi lancierte mit Pepsi ONE eine 1-Kalorienversion seiner Brause. Konkurrent Coca-Cola zog 2006 nach und unterbot Pepsi durch die Einführung seiner komplett kalorienfreien Coca-Cola Zero, die sich mit ihrem schwarzen Design und dem zackigen Z vorwiegend an junge Männer als Zielgruppe richtet.
    Es liegt auf der Hand, warum der semantische Mehrwert von Zahlen für das Markendesign angezapft wird: In seiner Einführung Numbers. A Very Short Introduction verweist der Mathematiker Peter M. Higgins auf den schlichten, aber oft übersehenen Sachverhalt, dass jede Zahl einzigartig, sprich: unique ist. Und uniqueness ist zufälligerweise auch das, worum sich beim Branding alles dreht. Dagegen stehen die psychologischen Stolpersteine und das kulturelle Gepäck, das Zahlen mit sich bringen. Die symbolischen Bedeutungen von Zahlen unterscheiden sich von Kultur zu Kultur, was einer weltweit einheitlichen Vermarktung im Wege stehen kann. Bestimmte Zahlen bieten reichhaltigere Anknüpfungspunkte und lösen mehr Assoziationen aus als andere – entweder weil sie kulturell bedeutsam sind oder weil sie, wie die Rundzahlen 10, 12, 20, 25, 50 und 100, häufiger verwendet werden. Solche signifikanten Zahlen, ebenso die 1, die 2, die 7, die 99, aber auch – zumindest im Westen – die 13, prägen sich leichter ein, wie Tests der Kognitionspsychologie gezeigt haben. Auf der anderen Seite sind sie bereits mit vielerlei Bedeutungen überfrachtet, sodass esschwerfallen dürfte, mit einem neuen Produkt das Assoziationsfeld einer solchen Zahl weiträumig zu besetzen.
    Neue Inspirationen und Konnotationen zu einzelnen Zahlen entstehen durch wissenschaftlich-technischen Fortschritt oder die politisch-gesellschaftliche Agenda. Das Start-up 23andme.com, das private Gentests über das Internet anbietet und eine Art Facebook für genetische Ähnlichkeit werden möchte, schöpft seinen Namen aus den 23 menschlichen Chromosomen. Die Initiative und Stiftung 2° (stiftung2grad.de), getragen von Firmen wie Deutsche Bahn, Otto oder Puma, bezieht sich auf das 2010 in Cancún festgeschriebene UN-Klimaziel, die Erderwärmung langfristig auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, was als kritischer Schwellenwert angesehen wird.
    Zahlensymbole sind eben nur scheinbar „leere“, sinnfreie Zeichen. Sie tragen einen Rucksack an Bedeutungen mit sich, sodass sie sich nicht beliebig mit Markenwerten kombinieren oder aufladen lassen. Gleichzeitig sind ihre Bedeutungsräume so fluide, dass genügend Spiel bleibt, durch wirkungsvolles Branding und Marketing neue Bedeutungskomponenten hinzuzufügen oder die Nuancen zu verschieben. Nur: Gegen den Eigensinn der Zahlen wird das nicht funktionieren.



IV.
Lieblingszahlen und Synästhesie
    „Woran denkst du, wenn du an die Zahl Acht denkst, ist das eine angenehme Zahl für dich?“, fragte sich der amerikanische Dichter Robert Creeley, als er für seinen Freund, den bereits erwähnten Künstler Robert Indiana, einen Gedichtzyklus mit dem Titel „Numbers“ verfasste, der dessen Zahlenbilder begleitet und aus zehn Gedichten für die zehn Ziffern, von der 1 bis zur 0, besteht. Welche Assoziationen lösen Zahlen in uns aus und welche Affekte sind mit ihnen verbunden? Warum haben wir Lieblingszahlen, zu denen wir uns hingezogen fühlen, und andere, die wir meiden? Und lassen sich hierbei bestimmte Muster identifizieren?
    Diese Fragen mögen zunächst ein wenig seltsam erscheinen, gelten Zahlen doch im Allgemeinen als abstrakt, rational und von Emotionen denkbar weit entfernt. Zahlen kommen vom Mars, Gefühle kommen von der Venus. Man spricht von Controllern und Buchhaltern als „gefühllosen Zahlenmenschen“ und „kühlen Rechnern“. Das Bekenntnis „Ich war schlecht in Mathe“ gilt nicht als Defizit, sondern eher als Ausweis von Normalität, ungefähr so wie das Unvermögen, einen Videorekorder zu programmieren oder eine Steuererklärung zu machen. Zahlen

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