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Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Titel: Was Sie schon immer über 6 wissen wollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
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Buchstabenkürzel bis zu eingängigen Namen, um schließlich zu einer einfachen einstelligen Ziffer zurückzukehren. Wohl nicht ganz zufällig ist es die positiv besetzte Glückszahl 7. Die Entscheidung für die 7 basiert jedenfalls nicht auf der zählenden Rationalität von Softwareingenieuren. Denn die interne Versionsnummer von Windows 7 lautet erstaunlicherweise 6.1.
    Deutlich konservativer agiert dagegen Microsoft-Konkurrent Apple: Auf das Betriebssystem mit der Nummer 9 folgte im Jahr 2001 das Betriebssystem mit der Bezeichnung Mac OS X 10.0. Das X wird zwar als „x“ ausgesprochen, stellt aber die römische Ziffer für 10 dar und verleiht der Marke ein Image von Dignität, Stabilität und Eleganz. Seitdem veröffentlicht das Unternehmen aus dem kalifornischen Cupertino nur noch Upgrades der zweiten und dritten Ziffer: Mac OS X 10.5.8, Mac OS X 10.6.5 usw. Für den Sommer 2011 ist Mac OS X 10.7 angekündigt. In wenigen Jahren werden die Marketingstrategen bei Apple vor der Frage stehen: Gehen wir bis 10.11? Oder gar bis 11.0? Oder müsste es dann heißen: bis XI? Ein anderer Ausweg wäre, sich ganz von den Zahlen als Marketinginstrument zu lösen und den Weg von Vista zu gehen, was sich durch die parallele Benennung der Apple-Betriebssystemversionen nach Großkatzen wie Leopard und Tiger bereits andeutet.
    An die Versionsnummern von Software lehnt sich auch der von Tim O’Reilly popularisierte Begriff Web 2.0 an. Damit grenzte der Softwareentwickler und Verleger 2005 das neue Mitmach-Internet der Social-Media-Plattformen und interaktiven Anwendungen vom „alten“ Web 1.0 ab, das als Wissensspeicher und Informationsmedium vorwiegend passiv genutzt worden sei. Die Metapher vom Web 2.0 wurde so erfolgreich, dass „2.0“ als Buzzword heute an beinahe jeden beliebigen Begriff angeflanscht werden kann, um ihn mit einer Aura des revolutionär Neuen aufzuladen. Doch dieser Gestus droht zu verblassen – auch hier muss weitergezählt werden. So wird inzwischenmit Blick auf die nächste Evolutionsstufe des Internet vom Web 3.0 geredet, bei dem die Rechner endlich lernen, Sprache auf ihre semantischen Verknüpfungen hin zu analysieren. Und einige ausgefuchste Trendexperten, preschen vor und malen bereits die Zukunft des Web 4.0 aus – was auch immer sie damit meinen.
Marketing by Numbers
    Wie bei Autos und Software haben sich die Zahlenmarkennamen auch in anderen Bereichen der Konsumkultur verselbständigt und als arbiträre Zeichen von ihren technischen Ursprüngen emanzipiert. Davon erzählt etwa die Entstehungsgeschichte der Marke 8x4. Anfang der 1950er Jahre entwickelte Beiersdorf ein Deodorant, dessen Wirkstoff gezielt das Bakterienwachstum und damit die Geruchsbildung bekämpfte. Die chemische Substanz lief intern unter der Bezeichnung B32. Der damalige Werbechef des Unternehmens entwickelte daraus den eingängigen Namen 8x4, der eine Formel suggeriert, ohne jedoch einen konkreten Bezug zu liefern. In einem Werbeclip aus dem Jahr 1953, zu einer Zeit also, als die Werbung noch glaubte, ihre Produktversprechen mit wissenschaftlicher Autorität legitimieren zu müssen, wird auf diesen Ursprung angespielt. Zu Bildern von Reagenzgläsern und Erlenmeyerkolben verkündet die Sprecherstimme: „Die moderne Wissenschaft hat nach langen Versuchen den Wirkstoff B32 gefunden, der in die 8x4-Seife eingebettet ist.“
    Ihre größte Domäne neben der Automobilbranche und der IT-Industrie finden Zahlenmarkennamen mit ihren alphanumerischen Typenbezeichnungen und kryptischen Modellreihen im Reich der elektrischen und technischen Geräte – vom Staubsauger über die Kaffeemaschine bis zum Drucker. Besonders im Segment der Heimelektronik ist das Kauderwelsch aus Ziffern und Buchstaben weit verbreitet. Samsung UE32C6000, Panasonic TC-L42U30, Philips 46PFL8605K/02 – so heißen aktuelle Modelle von Flachbildfernsehern. Aber weiß jemand, ob und welche messbaren Features sich hinter solchen Zahlen verbergen? Die Bildschirmdiagonale? Oder doch eher die Bildfrequenz? Vielleicht handelt es sich aber auch um eine Serienbezeichnung. Doch wie unterscheidet sich die 6000er-Reihevon der 5000er? Man erfährt es nicht – und wer will sich schon in die Details technischer Spezifikationen vertiefen. Deshalb signalisieren solche Zahlen dem Konsumenten zunächst vor allem eines: Ich habe technische Werte! Und zwar besonders gute! In mir steckt viel Arbeit! Kauf mich! Die Modellbezeichnungen folgen dabei nicht unbedingt den Regeln der

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