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Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Titel: Was Sie schon immer über 6 wissen wollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
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Dutzend war lange Zeit die maßgebliche Handelseinheit für Stückgut. Noch heute werden Bagels im traditionsreichsten Londoner Shop in der Brick Lane in Halbes-Dutzend-Schritten verkauft, 15 Dutzend kosten dort 45 Pfund. In hiesigen Supermärkten findet man lediglich noch den 6er-Karton für ein halbes Dutzend Eier, während der 10er- den 12er-Karton doch weitgehend verdrängt hat. Im US-Kriegsfilm Dirty Dozen von 1967 steht das dreckige Dutzend für ein zwölfköpfiges Spezialkommando und damit für eine gern gewählte Gruppengröße, die natürlich sofort an die zwölf Jünger Jesu denken lässt. Die 12 bildet eine Art natürliche Schwelle für Tischgesellschaften und ist eigentlich nur noch als runder Tisch zu arrangieren, was mit dem Charakter der 12 als Rundzahl korrespondiert. Deshalb sind Silberbesteck und Service, wie man sie zu Hochzeiten verschenkt, in aller Regel auf zwölf Personen ausgelegt. Für Wohn-Novizen tut es erst einmal auch das halbe Dutzend, weshalb es in den IKEA-Einsteiger-Sets von jeder Tellersorte genau sechs gibt.
    Weniger bekannt ist, dass die 12 in der Geometrie die „Kusszahl“ für den dreidimensionalen Raum ist: 12 ist die maximale Anzahl an gleich großen Kugeln, die dicht um eine 13te gepackt werden können, sodass alle Kugeln diese mittlere noch berühren. In der Fläche, etwa auf dem Billardtisch, ist 6 die Kusszahl. Auch wenn dieser sympathischen Eigenschaft im Alltag weniger Bedeutung zukommt, als man sich wünschen würde, hat sie doch erhebliche Implikationen, zum Beispiel für die Chemie.
    Ein etwas anders gelagerter Charakter der 12 ergibt sich aus der Zerlegung in die menschliche 5 und die heilige 7: Die Kombination dieser beiden Aspekte verleiht der 12 menschliche Größe und Würde. Die ikonische Strahlenkrone aus der Heraldik hat zwölf Zacken in regelmäßigen Abständen, die in der zweidimensionalen Wappen-Darstellung auf sieben sichtbare Zacken reduziert werden. Aus dem Staatswappen Österreichs ist die Zackenkrone längst verschwunden, in der Europa-Flagge ist sie im Sternenkranz noch angedeutet: „Der Kreis der goldenen Sterne steht für die Solidarität und Harmonie zwischen den europäischen Völkern“, lautet die offizielle Erläuterung auf der Website der EU: „Es gibt zwölf Sterne, weil die Zwölf traditionell das Symbol der Vollkommenheit, Vollständigkeit und Einheit ist.“
    Immerhin durfte auch der Bundestags-Adler, die „fette Henne“, beim Umzug aus dem Bonner Wasserwerk in den Reichstag seine zwölf Federn behalten. Im offiziellen Logo der Bundesrepublik, das sich noch vom zwölffederigen Reichsadler des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation herleitet, wurde das Federkleid zwischenzeitlich auf zehn, mittlerweile sogar auf acht Federn gestutzt. Im zähen Abwehrkampf der 12 gegen die 10 triumphiert als lachende Dritte hier die 8.

    So ist das Wesen der 12: Ein wenig angestaubt, haftet ihr der schale Schwulst und Pomp der „guten alten Zeit“ an. Aber auch wenn sie schon bessere Tage gesehen hat und die Jugend an ihrem Thron sägt, kann sie aus der Tradition und innerer Stärke heraus immer wieder überraschend neue Ressourcen mobilisieren – ein altersweiser Grandseigneur, der sich das Heft des Handelns nicht so einfach aus der Hand nehmen lässt.
    Mit der 12 ist das runde Dutzend voll. Sie markiert den letzten Außenposten der „fundamentalen Zahlen“ diesseits der Hundert, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie ein eigenes Wort für sich beanspruchen können, das nicht aus anderen Zahlwörtern zusammengesetzt ist. In der deutschen Rechtschreibung wird diese magische Grenze dadurch markiert, dass die Zahlen bis zwölf üblicherweise ausgeschrieben und danach als Ziffern dargestellt werden. Hinter der 12 beginnt das Reich des abstrakten Rechnens, in dem Zahlen nur noch aus mathematischen Gründen interessant sind – oder weil sie ins Raster der kulturellen Codierung, der Numerologie und selektiven Zahlenmagie fallen.



VII.
Numerologie, Pop und Internet
    Der Mai 2011 war ein schöner Monat. In Deutschland herrschten milde Temperaturen, allenfalls den Bauern war es für die Jahreszeit zu trocken. Dabei hätte es eigentlich ein Katastrophenmonat werden müssen: Der 13. war ein Freitag, und acht Tage später stand zu allem Überfluss der Weltuntergang auf dem Programm. Angekündigt war er für den 21. Mai 2011. Um Punkt 18:00 Uhr sollte es so weit sein. Zu diesem Zeitpunkt würden einige auserwählte Christen reinen Herzens in den

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