Was Sie schon immer über 6 wissen wollten
Himmel auffahren, während der Rest der Menschheit zu einem infernalischen Jüngsten Gericht mit weltweiten Erdbeben und anderen Katastrophen verdammt wäre. Fünf Monate später, am 21. Oktober 2011, würde Gott dann das Universum komplett zerstören und das Ende der Welt besiegeln.
Der kalifornische Radioprediger Harold Camping, der dieses Endzeitszenario entwarf, hatte bereits 1970 die biblische Sintflut exakt auf das Jahr 4990 vor Christus datiert. Aus verschiedenen Bibelstellen kombinierte er, dass das Jüngste Gericht genau 7.000 Jahre später stattfinden müsste. Um ganz sicherzugehen, zog Camping, Chef des christlich-fundamentalistischen Medienimperiums Family Radio, das in über 40 Sprachen sendet und Jahr für Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag an Spenden einsammelt, zusätzlich symbolische Zahlenbedeutungen zurate. Zählt man die Tage seit Jesu Tod und addiert 51, also die Anzahl der Tage vom 1. April bis zum 21. Mai, kommt man auf 722.500. Und das – man halte sich fest! – ist exakt das Ergebnis, das man erhält, wenn man die symbolischen Zahlen 5 mal 10 mal 17 mit 5 mal 10 mal 17 multipliziert. Oder, wie es der San Francisco Chronicle formulierte: „Sühne mal Vollständigkeit mal Himmel zum Quadrat.“
Solche Rechnungen, von denen sich in Campings Schriften viele weitere finden, sind zwar gleißender Unsinn, aber enorm populär. Hinter ihnen steht die Überzeugung, dass Zahlen eine unabwendbare, schicksalsmächtige Rolle zukomme und jeder Buchstabe und jede Ziffer in der Bibel wortwörtlich zu verstehen seien. Wer in Zahlen und Daten einen Grund oder eine tiefere Bedeutung sucht, die sich buchstäblich entschlüsseln lässt, der landet schnell bei der Zwillingsschwester der Astrologie, der Numerologie, die in den verschiedensten Spielarten daherkommt.
Numerologisch berechnete Endzeitdaten, Numeroskope und die typischen Glücks- und Unglückszahlen sind wirkmächtige Ideen, die knapp unter der Oberfläche unserer scheinbar vollständig aufgeklärten Gesellschaft treiben und sich als Meme – Ideen, die sich durch Kommunikation und Mundpropaganda fortpflanzen und in den Köpfen der Menschen festsetzen – verbreiten. Befeuert werden sie von einer regelrechten Industrie von Apokalyptikern und anderen Propheten, die aus Zahlen Zukunft und Charakter eines Menschen, wenn nicht gleich das Schicksal der ganzen Menschheit herauszulesen versprechen. Wie im Fall Campings löst solcher Zahlenzauber regelmäßig mediale Hypes aus und produziert reale Effekte, auch wenn rational nichts daran ist.
Wir begeben uns hier auf das rutschige Terrain der Zahlenmystik und des Aberglaubens, in dem sich Versatzstücke aus religiösen Traditionen mit popkulturellen Codes, moderner Esoterik und idiosynkratischen Verschwörungstheorien zu einer unübersichtlichen Gemengelage verbinden. Heraus kommt die Zahlenmagie, die zum festen Kanon der kleineren und größeren Irrationalismen des Alltagslebens gehört.
13. Stock und verflixtes siebtes Jahr
„Jetzt schlägt’s 13!“ – in Edgar Allan Poes satirischer Kurzgeschichte Der Teufel im Glockenturm ist das nicht bloß eine Redewendung. Die einfältigen Bürger des Dörfchens Vondervotteimittiss haben einen streng reglementierten Tagesablauf, der ganz auf die im Zentrum der Gemeinde stehende Turmuhr geeicht ist. Eines Tages werdensie abrupt aus ihrer Ruhe aufgeschreckt, als eine kleine koboldartige Gestalt daherkommt, den Turmwächter überwältigt und – zum Entsetzen der zeitfixierten Einwohner – die Uhr 13-mal schlägt. Das Ende vom Lied: Die spießige Idylle versinkt im Chaos. Die 13 überschreitet die 12 und erschüttert die fundamentale symbolische Ordnung. Das ist der strukturelle Grund für die Aversion gegen sie: 13 sind genau eins zu viel für das harmonische Dutzend, die Einheit für Maß und Zeit. Die 13 wirkt dissonant, hat etwas Ungeordnetes, Anarchisches. Auch in Michael Endes Kinderbuchklassikern um Jim Knopf kommt so einiges wieder ins Lot, als die Seeräuber der Piratentruppe „Die Wilde 13“ feststellen müssen, dass sie in Wirklichkeit nur zu zwölft sind und deshalb keinen Grund mehr haben, böse Dinge anzustellen.
Die 13 ist die prominenteste Unglückszahl, zumindest im Westen. Hotels haben kein 13. Stockwerk, in den Flugzeugen der Lufthansa fehlt die Sitzreihe 13 – wie übrigens auch die 17. Reihe, denn die gilt den Italienern und Brasilianern als Unglückszahl. Im Terminal 4 des Londoner Flughafens Heathrow fehlt sogar das 13. Gate.
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