Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

unbestimmte Größenordnungen meint, kennzeichnet ihren Charakter als runde Zahlen. Die Praxis des Rundens stammt aus der Naturwissenschaft, in der je nach benötigter Präzisioneines Messwertes nur eine bestimmte Anzahl Dezimalstellen nach dem Komma angegeben werden muss. In der Ökonomie entsprechen dem die „glatten Summen“, auf die man sich in Preisverhandlungen einfach verständigen kann oder die schlicht der Währungsstückelung entsprechen. Wie willkürlich diese Wahrnehmung letztlich ist, zeigt ein im Internet kursierender Witz, wonach für Informatiker die 8, die 32 und die 256 runde Zahlen sind, weil sie die Zweierpotenzen bilden. In der Binärschreibweise werden sie zu 100, 10000 und 100000000.
    Dennoch hat die Praxis des Rundens auch auf den symbolischen Charakter der 10 abgefärbt: Sie weckt den Eindruck von Abgeschlossenheit und Vollendung, hat etwas Rundes und Glattes. Der Moment, wenn der Kilometerzähler im Tacho von 9.999 auf 10.000 springt, erscheint uns erhaben. Der Milleniumswechsel wurde entsprechend am 31. Dezember 1999 gefeiert, auch wenn das dritte Jahrtausend streng genommen erst am 1. Januar 2001 begonnen hat. Die gängige Zeiteinteilung in Dekaden und Säkula erlangt ihre besondere Bedeutung, wo es um Lebensalter, Jubiläen und Todestage geht. Deshalb feiern wir „runde Geburtstage“, Hochzeiten und Gedenkfeiern besonders ausufernd, wenn sie auf 0 enden – oder wenn es sich um ein glattes Viertel von 10² handelt, also 25, 50 oder 75.
    In den bis 1900 verbreiteten Bilderbogen-Darstellungen der „Stufenalter des Menschen“ oder „Lebenstreppen“ entspricht jede Treppenstufe, auf der das je alterstypische Idyll bebildert wird, zehn Jahren und nicht, wie in der chinesischen Medizin, sieben oder acht. Der Mittel- und Höhepunkt des Lebens liegt bei für die damalige Zeit optimistisch veranschlagten 50 Jahren, bevor es wieder hinabgeht ins Greisenalter, Siechtum und den Tod im biblischen Alter von 100 Jahren.
    Ein weiterer wichtiger Anwendungsfall der 10 in der Populärkultur ist der Countdown, der üblicherweise bei 10 beginnt und auf 0 runterzählt. Erfunden hat ihn nicht etwa die NASA, sondern der deutsche Stummfilm-Pionier Fritz Lang für seinen 1929 gedrehten Science-Fiction-Film Frau im Mond , um darin den Start der Mondrakete spannungsreich zu inszenieren. Die Kulturwissenschaftler Ulrike Hanstein und Philipp Schulte schreiben: „Der inszenatorische Coup wurde zum markanten Vorspiel jedes realen Raketenstartes und so wiederum zum mitreißenden Motiv späterer SF-Filme.“
    Das US-Militär ließ es sich nicht nehmen, dieses Element auch bei der medialen Inszenierung der ersten Atomtests einzusetzen. Politisch explosive Wirkung entfaltete der Countdown in einem berüchtigten Wahlwerbespot, mit dem im US-Wahlkampf 1964 der Demokrat Lyndon B. Johnson seinen Kontrahenten angriff, den Hardliner Barry Goldwater, der den Einsatz von Nuklearwaffen in Vietnam nicht ausschließen wollte: Ein kleines Mädchen zupft ein Gänseblümchen und zählt dabei die einzelnen Blütenblätter. Als sie die 9 erreicht, ertönt im Hintergrund eine sonore Männerstimme, die von 10 herunterzählt bis zur 0 und damit zur unvermeidlichen Atombombenexplosion. Obwohl der heftig umstrittene Spot nur einmal lief, soll er nicht unerheblich zu Johnsons Wahlsieg beigetragen haben.
    Dramaturgisch effektiv kommt der Countdown aber auch zum Einsatz, wenn es wie in Hitparadensendungen darum geht, den Gewinner oder das Highlight für das Ende aufzusparen. Die „Top 10“ stehen synonym für die obere Spitze eines Rankings. Auch die in jüngster Zeit inflationären Rankings der hundert einflussreichsten, wichtigsten oder peinlichsten Menschen des Jahres nach dem Vorbild der jährlich aktualisierten „Times 100“-Liste der einflussreichsten Personen der Welt folgen dieser Logik. Viele Bewertungsraster fragen Werturteile auf einer Skala von 0 bis 10 ab, wobei 10 stets die volle Punktzahl oder Zustimmung signalisiert. Der viel zitierte Titel der Hollywood-Komödie Zehn – Die Traumfrau von 1979 konnte sich auf diesen gelernten Code stützen.
    Ikonografisch spielt die 10 dennoch keine herausragende Rolle, eher schon die 100, die als ihre Verstärkung für 100-Prozentigkeit und damit Vollwertigkeit und ein nicht zu toppendes Maximum steht. Nicht von ungefähr wurden die exakt zehn Zentimeter langen King-Size-Zigaretten als Marke zu „Marlboro 100’s“. Wo es um den Zahlenwert der 10 geht, behauptet sich die römische