Was Sie schon immer über 6 wissen wollten
mit dem Wirtschaftsnobelpreisträger und Veteran der Verhaltensökonomie Daniel Kahneman in einer vielbeachteten Studie aus dem Jahr 2010 dar, dass das subjektive Glücksgefühl unter US-Amerikanern zwar mit dem Einkommen wächst, aber bei einer Schwelle von 75.000 US-Dollar, umgerechnet 60.000 Euro, Jahreseinkommen abgeregelt ist. Jenseits dieses Wertes nimmt das emotionale Wohlbefinden wieder ab, wohl auch, so die Autoren der Studie, weil es jenseits dieser Schwelle immer weniger gelingt, Zeit für die wichtigen Dinge des Lebens wie Familie und Gesundheit freizuschaufeln. Aber die Zahlungsbereitschaft wächst natürlich mit der Höhe des frei disponiblen Einkommens.
Oder anders ausgedrückt: Auch wenn sie betonen, dass sie ihr Vermögen „nicht vom Ausgeben“ haben, sitzt bei Reichen das Geld üblicherweise lockerer. Für potente Kunstsammler etwa, weiß Judy Lybke aus Erfahrung, „ist eine hohe Zahl weniger eine abschreckende Schwelle, sondern ein Zustand der eigenen Befindlichkeit“. Es hängt eher von Laune, Stimmung und Tagesform ab, ob sie bereit sind, einen bestimmten Betrag für ein Kunstwerk zu investieren, als von strikt ökonomischen Erwägungen. Astronomisch viel Geld für ein Objekt der Begierde auf den Tisch zu blättern, ohne dabei mit der Wimper zu zucken, kann also durchaus als befriedigender Akt der Selbstbestätigung funktionieren. Schon Thorstein Veblen stellte gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts in seiner Theorie der feinen Leute fest, dass die Reichen und Wohlhabenden bestimmte Konsumgüter kaufen, nicht obwohl, sondern gerade weil sie teuer sind – und weil andere das wissen und beobachten können.
Preispsychologie 101
Aber auch wir Otto Normalsterblichen unterliegen in unserer Zahlungsbereitschaft situativen und stimmungsbedingten Schwankungen. Im Urlaub geben wir bereitwilliger Geld aus als im Alltag, und eine gehobene Stimmung kann ebenso zum Geldausgeben verführen wieeine depressive, die sich im sogenannten „kompensatorischen Konsum“ niederschlägt. Die Amplituden können durchaus beachtlich sein, weshalb eine ganze Industrie sich auf die Außerkraftsetzung und geschickte Manipulation unseres Urteilsvermögens geworfen hat.
Der größte Fisch im Teich ist das 1985 vom Bonner Wirtschaftsprofessor Hermann Simon und zwei seiner Doktoranden gegründete Beratungsunternehmen Simon, Kucher & Partners, das sich auf Preisstrategien spezialisiert hat und heute über 500 Mitarbeiter an Standorten weltweit beschäftigt. SKP berät Blue-Chip-Unternehmen aus allen Branchen von Nestlé über Microsoft, Nokia und Mercedes bis zu BMW und Volkswagen, wie sie ihre Preispolitik zum eigenen Vorteil optimieren können. „Setzen Sie durch, was Ihnen zusteht!“, heißt die klare Botschaft an potenzielle Auftraggeber auf der deutschen Unternehmenswebsite. Wo herkömmliche Werbeagenturen branchenexklusiv arbeiten, berät das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 100 Millionen Euro in manchen Sparten gleich eine ganze Handvoll Anbieter und dürfte die einzige Agentur sein, die jemals gleichzeitig für Coca-Cola und Pepsi gearbeitet hat. „Der Einfluss von SKP auf die Preise von so ziemlich allem, was wir kaufen, ist ebenso wenig bekannt wie atemberaubend“, schreibt William Poundstone in seinem Buch Priceless. The Myth of Fair Value über die neuen geheimen Verführer, die nicht am Markenimage schrauben, sondern am Preis.
Die wachsende Bedeutung und Beachtung des Themas Pricing jenseits des billigen 9er-Tricks geht auf eine neuerliche Allianz von Psychologie und Wirtschaftswissenschaften zurück: In den 1980er Jahren taten sich Wissenschaftler beider Lager zusammen und formten die neue Disziplin der Verhaltensökonomie. Ihr erklärtes Programm ist es, das rationalistische Menschenbild des homo oeconomicus , das die längste Zeit die Wirtschaftstheorie regiert hat, sturmreif zu schießen. Der erwähnte Daniel Kahneman hat im Verbund mit Amos Tversky in einer Reihe verblüffender Experimente mit realen Testpersonen demonstriert, wie manipulierbar das menschliche Entscheidungsverhalten insbesondere in Bezug auf Preise ist. Das neue Paradigma, das sie geschaffen haben, fasst William Poundstone so zusammen: „In der neuen Preispsychologie sind die Werte schlüpfrig und kontingent, so verschwommen wie die Bilder in einem Jahrmarkt-Spiegelkabinett.“
Die klare Botschaft aller neueren Forschungsergebnisse – und die finale Abfuhr für das ökonomisch-rationale Menschenbild: Kundenhaben
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