Was Sie schon immer über 6 wissen wollten
Goldenen Schnitts aufzuweisen, 34 statt 29 Zentimeter lang sein. Faltete man es mittig, würde sich nicht wieder dieselbe Proportion ergeben, sondern eine, die näher am Quadrat liegt.
Der Goldene Schnitt oder auch die Goldene Teilung liegen dann vor, wenn – bitte nachsprechen und merken! – zwei Strecken zueinander im selben Verhältnis stehen wie die größere der beiden zur Summe beider Strecken. Mathematisch ausgedrückt: a, die kürzere Strecke, verhält sich zu b, der längeren, wie b zur Gesamtstrecke a + b. Leider gibt es keine ganzzahligen Beispiele, die dieses Teilungsverhältnis illustrieren könnten, aber 5:3 ist keine ganz schlechte Näherung. Präziser entspricht das Seitenverhältnis – beim Silbernen Rechteck war das die √2 oder 1,41 – beim Goldenen Schnitt der Goldenen Zahl Phi (Φ). Erstmals dokumentiert wurde deren Berechnung als „ungefähr 1,6180340“ in einem Brief, den der Tübinger Professor Michael Maestlin 1597 an Johannes Kepler schrieb. Diese Zahl hat es mathematisch durchaus in sich, denn sie gilt als irrationalste unter den irrationalen Zahlen, also solchen, die durch ganzzahlige Brüche nur angenähert werden können. Für die praktische Handhabung bringt das leider einen Haufen Probleme mit sich.
Die dem Goldenen Schnitt zugrunde liegende Proportion ist aber durchaus älteren Datums und länger in Gebrauch als seine quantitative Erfassung, denn der Goldene Schnitt lässt sich auch ganz ohne Zahlen, nur mit Zirkel und Geodreieck konstruieren, etwa aus dem Pentagramm. Das konnte schon Euklid um 300 vor Christus, wobei die Bezeichnung „Goldener Schnitt“ sich erst ab 1830 etablierte.Zuvor sprach man von „Göttlicher Teilung“, die der italienische Renaissance-Mathematiker Luca Pacioli in seinem von Leonardo da Vinci illustrierten Buch De divina proportione im Jahr 1509 als Erster mathematisch beschrieben hat.
Mit der Umbenennung fiel auch die Idee zusammen, man müsse den Goldenen Schnitt gar nicht berechnen oder konstruieren, sondern er entspringe einer Art Naturgesetz der Ästhetik: Jegliche harmonische Gliederung – egal, ob in der Natur oder von Menschenhand geformt – würde sich quasi automatisch nach dem Goldenen Schnitt ausrichten. Verbunden ist dieser Glaube mit dem Namen Adolf Zeising, einem freischaffenden Autor und Gelehrten, der mit seinen Proportionsstudien Mitte des 19. Jahrhunderts bewiesen haben wollte, dass der Goldene Schnitt „dasjenige Verhältnis ist, welches der ganzen Gliederung der Menschengestalt, dem Bau der edlen Thiere, der Construction von Pflanzen, namentlich in Betreff der Blattstellung, den Formen verschiedener Kristalle, der Anordnung des Planetensystems, den Proportionen der anerkannt schönsten architektonischen und plastischen Kunstwerke, den befriedigendsten Accorden der musikalischen Harmonie und so noch anderen Erscheinungen in Natur und Kunst“ zugrunde liegt. Tatsächlich fand der Begründer der experimentellen Psychologie, Gustav Theodor Fechner, inspiriert von Zeising, heraus, dass Versuchspersonen, denen man Rechtecke unterschiedlicher Proportionen vorlegte, den Goldenen Schnitt bevorzugten. Spätere Versuche wollen diesen Befund bestätigt haben, allerdings oft nur mit schwacher Signifikanz oder fragwürdiger Methodologie.
Zweifellos haben wir es bei Zeising und mit Abstrichen auch bei Fechner mit prototypischen Vertretern jener selektiven Wahrnehmung, gepaart mit wishful thinking , zu tun, die aus der Proportionslehre eine Welterklärungsformel machten. Trotzdem – oder gerade deshalb – lösten ihre Schriften und Beobachtungen zur Mitte des 19. Jahrhunderts eine wahre Goldene-Schnitt-Euphorie aus. Die Architekturgeschichte wurde daraufhin durchforstet; in der Kunstgeschichte, insbesondere in der Malerei der Renaissance, wurde der Goldene Schnitt gesucht – und gefunden: Albrecht Dürers Selbstbildnis mit Pelzrock – nur deshalb so wirkungsvoll, weil die Haare zu einem gleichseitigen Dreieck fallen, dessen Grundseite die Bildtafel im Goldenen Schnitt teilt. Leonardos Abendmahl – strotzt vor Goldenen Schnitten. Die ägyptische Cheopspyramide – logisch, im Goldenen Schnitt gebaut.
Erik Spiekermann ist heute dagegen eher skeptisch, was den Goldenen Schnitt als universelles Prinzip angeht. Der Nachweis seines Vorkommens überall in der Natur sei oft nur durch heftiges Auf- und Abrunden hergestellt worden: „Er steckt sicherlich in vielen Sachen drin, ist aber kein Naturgesetz, sondern hat allenfalls anekdotischen
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