Was Sie schon immer über 6 wissen wollten
Stufe der neuen Form entsteht.“ Die Fibonacci-Folge fängt also exponentielles Wachstum in seiner Frühphase ein, wo es noch nicht durch Systemgrenzen oder den Tod abgebremst wird.
Veranschaulichen lässt sich das über die Spirale der „wirbelnden Quadrate“: Im oder gegen den Uhrzeigersinn werden Quadrate mit der Kantenlänge der nächsten Fibonacci-Zahl an die bisherigen angedockt, sodass jeweils ein neues Rechteck entsteht. Das Interessante hierbei: Je größer die Zahlen werden, desto mehr nähert sich die äußere Form dem „Goldenen Rechteck“ an und die Teilung der Kantenlänge zwischen größtem und zweitgrößtem Quadrat dem Verhältnis des Goldenen Schnitts. Dieser Zusammenhang lässt sich natürlich auch an den benachbarten Fibonacci-Zahlen selbst belegen: 8 geteilt durch 5 ergibt 1,6; 34 durch 21 ungefähr 1,619. Je größer die Zahlen werden, desto akkurater nähert sich ihr Teilungsverhältnis der irrationalen Goldenen Zahl Phi an.
Schon Johannes Kepler hatte diese Verbindung erkannt und zudem gespürt, dass der Goldene Schnitt weniger eine statische Sache ist, als dass ihm eine organische Dynamik innewohnt. In der Weltharmonik schreibt er: „In diesem schönen Verhältnis liegt nun aber die Idee der Zeugung verborgen. Denn wie der Vater den Sohn erzeugt, der Sohn einen anderen, jeder einen ihm ähnlichen, so wird auch bei jener Teilung die Proportion fortgesetzt, wenn man den größeren Abschnitt zum Ganzen hinzufügt. Die Summe erhält dann die Stelle des Ganzen, und was vorher das Ganze war, ist jetzt größter Abschnitt.“ Kepler treibt den Gedanken der Zahlenzeugung sogar noch weiter: Weil dieTeilungsverhältnisse mal ober- und mal unterhalb des wahren Wertes der irrationalen Zahl Phi liegen, erkennt er darin „in höchst merkwürdiger Weise Männchen und Weibchen, wie sie sich durch ihre Geschlechtsglieder unterscheiden“. An anderer Stelle, im schmalen Bändchen Vom sechseckigen Schnee , erwähnt Kepler Fibonacci-Folge und Göttliche Teilung – den Goldenen Schnitt – in einem Atemzug mit Blumen, die aus eigenem Antrieb und eigener Kraft wachsen.
Wie der vor allem im Pazifik beheimatete Kopffüßler Nautilus bilden viele Schnecken und Muscheln in ihren Kalkschalen ganz unmittelbar die den wirbelnden Quadraten eingeschriebene Spirale nach – natürlich nur bis zu einem gewissen Punkt, sonst würden die Gehäuse schnell über alle Grenzen wachsen. Im 17. Jahrhundert hat der Mathematiker Jakob Bernoulli die sich aus der Fibonacci-Folge ergebende Spiralform untersucht und „Spira mirabilis“ getauft. Das Wundersame dieser Spirale ist nämlich, dass auch sie dem Prinzip der Selbstähnlichkeit gehorcht. Das heißt, man kann beliebig heran- und herauszoomen, ohne dass sich ihre Form dadurch ändert – ein Effekt, der in psychedelischen Video-Animationen gerne genutzt wird. Wunschgemäß wurde auf Bernoullis Grabstein eine Abbildung der Spirale verewigt, versehen mit dem Motto „Eadem mutato resurgo“, auf Deutsch etwa: „Verwandelt kehre ich als dieselbe wieder“. Auch in Wettersystemen, Wasserstrudeln und kosmischen Spiralnebeln findet sich die Grundform der logarithmischen Spirale wieder, von der die „Goldene Spirale“, die sich aus den wirbelnden Quadraten ergibt, allerdings bloß einen Sonderfall bildet.
Für die grafische Gestaltung sind wirbelnde Quadrate, Goldene Spirale und insbesondere die Fibonacci-Zahlen weitaus besser handhabbar als der Goldene Schnitt. Typografische Spaltenraster werden oft nach Fibonacci aufgebaut, auch das Größenverhaltnis von Überschriften zu Fließtext orientiert sich häufig daran – was in der Praxis aber lediglich bedeutet, dass sie im Verhältnis von 5:3, 8:5 oder 13:8 stehen. Beim Relaunch der Website des Microblogging-Dienstes Twitter im September 2010 griff man ebenfalls auf die Goldene Spirale zurück, wie Twitters Creative Director Douglas Bowman freimütig verkündete. Allerdings verzerrt sich die Proportion, wenn man das Browserfenster weiter aufzieht.
Erik Spiekermann sieht im Rückgriff auf Fibonacci-Zahlen, insbesondere im Webdesign, eine gewisse Modeerscheinung, vor allemaber eine praktische Vereinfachung gegenüber dem Goldenen Schnitt: „Man muss nicht groß rechnen, man nimmt 1 plus 1 plus 2 plus 3 plus 5 plus 8 und hat eine wunderbare Reihe. Dann baut man seine Seiten, die Sprünge markiert man fett – und fertig ist das Raster, fertig ist die Reinzeichnung. Man weiß, es sieht immer ganz nett aus.“ Der
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