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Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Titel: Was Sie schon immer über 6 wissen wollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
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Chaos, Unordnung, Zufälligkeiten finden wir nicht nur langweilig und hässlich, sondern wir können das Fehlen von Struktur kaum wahrnehmen. Aber gestaltete Struktur kommt uns entgegen. Wir können sie nicht übersehen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.



XI.
Menschliches Maß
    Arithmetik und Geometrie können schwerlich als Humanwissenschaften gelten. Dennoch haben Zahlen nicht nur über das Zählen mit den Fingern einen unmittelbaren Bezug zum menschlichen Körper. Wie in Sonntagsreden und Unternehmensbroschüren immer „der Mensch im Mittelpunkt“ steht, so ist er historisch buchstäblich das Maß aller Dinge. Viele traditionelle Längenmaße basieren auf idealisierten Körperteilen. Fuß und Elle waren in Deutschland lange gebräuchlich, im Angelsächsischen kamen noch „Finger“, „Palm“ und „Hand“ hinzu.
    Auch in umgekehrter Richtung funktionierte der Transfer: Die Aficionados des Goldenen Schnitts fanden ihn nicht nur in der Natur und Kunstgeschichte, sondern auch am menschlichen Körper: Im Verhältnis von Körpergröße zur Höhe des Bauchnabels, am Unterarm zwischen Ellenbogen, Handgelenk und Fingerspitze, im Verhältnis der Breite des ersten zum zweiten Schneidezahn und so weiter. Dass es sich dabei um Idealisierungen handelt, die in der Realität eher die Ausnahme als die Regel darstellen, kann jeder am eigenen Körper und Gebiss unschwer überprüfen.
    Zuletzt will ein Forscherteam um Pamela Pallett von der University of California in San Diego die „Geometrie der Schönheit“ entschlüsselt haben. Probanden wurden Fotos von weiblichen Gesichtern vorgelegt, bei denen mittels Bildbearbeitung der Abstand der Augen untereinander und zum Mund variiert worden war. Heraus kam, dass ein Augenabstand von 46 Prozent der Breite des Gesichtes und ein Augen-Mund-Abstand von 36 Prozent der Höhe als am attraktivsten bewertet wurde – was auch den Mittelwerten entspricht, wenn man hinreichend viele zufällig ausgesuchte Gesichter überlagert. Pallett resümierte, diese Zahlen markierten ein „goldenes Verhältnis“, wie schon Goldener Schnitt und Göttliche Proportion bei den alten Griechen. In der Berichterstattung der Welt heißt es deshalb: „Ist dieser neue Goldene Schnitt verwirklicht, dann entspricht ein Gesicht demSchönheitsideal.“ Allerdings haben Palletts Zahlen weder untereinander noch im Verhältnis zu Gesichtshöhe und -breite irgendeine Verbindung zum Goldenen Schnitt und der Zahl Phi. Wenn sich eine Erkenntnis aus den Ergebnissen destillieren lässt, dann die, dass wir absoluten Durchschnitt als schön empfinden.
    Schon im 13. Jahrhundert hat der Baumeister Villard de Honnecourt versucht, die Schönheit des Gesichts mathematisch zu fundieren. In seinem Skizzenbuch finden sich Ansätze, die Proportionen des menschlichen Gesichtes aus dem Quadrat und aus dem Pentagramm herzuleiten, das seinerseits ein Verhältnis zum Goldenen Schnitt aufweist. Allerdings sehen seine Gesichter, eingepasst in die geometrischen Formen, derart unförmig aus, dass nach heutigen Maßstäben von Schönheit keine Rede sein kann. Überhaupt scheint – abgesehen davon, dass Schädelvermessungen im 19. Jahrhundert eine unheilige rassistische Tradition begründeten – das jeweils aktuelle Schönheitsideal zu sehr der Mode und dem Zeitgeist unterworfen, um ihm mathematisch auf die Schliche zu kommen. In der Renaissance galt beispielsweise ein Doppelkinn durchaus als sexuell attraktiv. Und barocke Rubens-Schönheiten würde die Mehrheit der Männer heute eher von der Bettkante schubsen.
    Evolutionsbiologen und Attraktivitätsforscher halten dagegen, dass es einen überkulturellen „harten Kern“ der Schönheit gebe, der über unterschiedliche Epochen und Kulturkreise Bestand habe, weil er Gesundheit und – bei Frauen – Gebärfähigkeit signalisiere. So sei ein weibliches Taille-Hüfte-Verhältnis von 0,7 immer schon als attraktiv wahrgenommen worden. Zwar seien schöne Frauen von der ausladenden steinzeitlichen Venus von Willendorf und der üppigen Venus von Milo bis hin zu Kate Moss über die Jahrhunderte im Großen und Ganzen immer schlanker geworden – das Taille-Hüfte-Verhältnis habe dabei jedoch stets zwischen 0,68 und 0,72 gelegen, wie der US-Psychologe Devendra Singh nachgemessen hat. Bei den magischen 90-60-90-Maßen wird diese Sanduhr-Proportion mit einem Wert von 0,66 sogar noch übertrieben.
    Für männliche Attraktivität hingegen wird ein Taille-Hüfte-Verhältnis kleiner als 1 angegeben, was

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