Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was soll denn aus ihr werden?

Was soll denn aus ihr werden?

Titel: Was soll denn aus ihr werden? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
Vom Netzwerk:
ihm selbst und nun wollte sie es für sich tun, denn Dori wollte alles ganz so ausführen, wie es der Vater angeordnet hatte. Das war auch der Mutter recht. Daneben sollte aber Dori auch bei ihr noch mancherlei lernen. Dorothea wollte, daß ihr Kind in aller Handarbeit geschickt werde, wie sie solche auch selbst erlernt hatte.
    So hatte Dori vom Morgen bis zum Abend so viel zu tun, daß sie kaum wußte, wie die Tage vergingen. Aber sie wurde so frisch und fröhlich dabei, daß es sie drängte, ein neues Lehrfach einzuführen. Die Kinder mußten Lieder singen lernen. Das war nun eine Hauptfreude für jedermann. Alle Lieder, die Dori je gekannt, wurden einstudiert und dieser Zweig des Lernens gab nun ganz und gar keine Mühe, sondern war lauter Vergnügen für alle. Dabei tat sich die kleine Marietta in erstaunenswerter Weise hervor, denn kaum hatte sie eine Melodie angehört, so sang sie sie ohne allen Anstoß nach und vergaß sie nie wieder. Giacomo hatte eine schöne, weiche Tenorstimme und Detto brummte einen festen Baß dazu. Ertönte so der Gesang all der frischen Stimmen zusammen, so legte Dorothea oft ihre Arbeitin den Schoß und ein Lächeln zog über ihr Gesicht, fast wie in früheren Tagen.
    So war es Herbst geworden. Die wenigen Wintertage waren vorübergegangen, wieder war der Frühling eingezogen mit allen singenden Vögeln und allen blühenden Hecken, und wieder, wie vor dem Jahr, standen die vollen Rosen draußen im Garten im Sonnenlicht. Dori stand oben auf der Terrasse und schaute hinunter auf den Strauch, von dem sie vor dem Jahr die Rosen gebrochen hatte, die sie dem kranken Fräulein und ihrem guten Vater hatte bringen wollen, und eine Erinnerung nach der andern aus jenen Tagen stieg in ihr auf. Jetzt kehrte sie sich um und schaute die Mutter an. »Aber nicht wahr Mutter, es ist wahr«, sagte sie, »es gibt doch noch etwas, an dem man sich freuen kann?«
    Die Mutter blickte auf und lächelte: »Ja, Dori«, sagte sie, »es ist wahr, du hast's gefunden. Das hast du von deinem Vater, er wußte überall etwas zu finden, das andere nicht fanden, und das allen, die um ihn waren, das Leben froh und lieblich machte. Ach, Dori, wenn er noch bei uns wäre, wie würde er sich freuen darüber, daß die Kinder etwas lernen und sich so zum Guten verändern, und darüber, daß du alles so gut behalten hast, was er dir gegeben und es wieder so gut anwendest. Und auch über die alte Maja, die jetzt immer vor Freude aussieht, als wäre sie zehn Jahre jünger geworden.«
    Heute ging Dori so fröhlich in ihre Kammer wie lange nicht, denn sie hatte zum erstenmal deutlich gehört, daß auch die Mutter sich noch an etwas freuen konnte; nun erst konnte auch sie sich einmal wieder recht freuen, ohne daß ihr der Schatten im Herzen gleich wieder den Sonnenschein überzog, wie es sonst war, sobald ihre Blicke auf das Gesicht der Mutter fielen, auf dem bis jetzt immer noch ein tief trauriger Ausdruck gelegen hatte.

Fünftes Kapitel
    Im Felsenhaus an der sonnigen Halde wurden die Wochen so schnell zu Monden, und die Monde zu Jahren, daß Dori selbst voller Verwunderung darüber war, wie es sein konnte, daß so schnell herangekommen, was sie in kurzer Zeit noch in aller Ferne vor sich gesehen hatte. Sie wurde ja heute sechzehn Jahre alt. An ihrem offenen Fenster schaute sie in den leuchtenden Morgen hinaus und hinunter auf die hell schimmernden Goldröschen, denen die warme Morgensonne schon früh die Kelche geöffnet hatte. In ihrem Herzen sagte sie sich, für sie hätte doch der liebe Gott alles besonders schön geordnet. Mit einer guten Mutter zusammen sein Tag für Tag, eine so erfreuliche Arbeit ausüben zu können, in der schönsten Heimat zu leben, die es auf Erden geben konnte, wie sie dachte, das alles war so schön, daß Dori voller Dank zum Himmel aufschaute und nur den einen Wunsch hatte, daß es immer so bleibe. Jetzt ging sie nach der Terrasse hinüber. Da traf sie auf einen so unerwarteten Anblick, daß sie plötzlich stillstand und voller Erstaunen um sich schaute. Da standen Giacomo, Detto, Marietta und zuhinterst noch die alte Maja; alle im Sonntagsstaat, jedes einen ungeheuren Strauß von Waldesgrün mit roten Beeren daran, von leuchtendem Goldmoos und Waldlilien in der Hand haltend. Die alte Maja aber trug eine große blaue Traube mit den frischesten Beeren daran, als wäre sie eben gepflückt worden. Jetzt trat Giacomo mit leuchtenden Augen auf Dori zu und sagte: »Ich danke dir für alles, das du an mir

Weitere Kostenlose Bücher