Was soll denn aus ihr werden?
die Verwandten aufzufordern, daß etwas getan werde, der Pfarrer mache die junge Base Dori ganz kopfscheu und verdreht, mit keinem Menschen wolle sie zusammenkommen, keinen kennen lernen und vor denen, die sie schon kenne, schieße sie auch weg wie eine scheue Fledermaus. Und die Mutter unterstütze noch den Pfarrer und helfe dazu, daß die Tochter von allen natürlichen Wegen abkomme und sich noch übersinne. Die Basen sollten Doris Mutter zurecht bringen, damit sie dem verdrehten Pfarrer entgegenarbeite. Marie Lene sagte sogleich: An all den Querkopfgeschichten sei die Base Dorothea allein schuld, sie habe von jeher alles anders haben wollen, als andere Leute, nun sollte die Tochter auch in ein besonderes Modell gedruckt werden. Frau Kathrine bemerkte bedächtig, die Base Dorothea brauche da nicht nachzuhelfen; daß die Verwandten nicht viel berücksichtigt und keine Bekanntschaften gesucht werden, gehe von dem Töchterchen selbst aus, das sein Näschen zu hoch trage, als gehöre es in eine bessere Luft als die andern alle. Aber die Nonna fing nun auch zu sprechen an und bedeutete den dreien, die Base Dorothea könne man nun noch gar nicht so beurteilen, die Tochter habe sie durchaus in den Religionsunterricht eintreten lassen müssen, denn das Alter sei da. Das sei nun wirklich eine besondere Zeit für die jungen Leute, da diese mit Recht ein wenig zurückgehalten werden. Bis zum Frühling müsse man die junge Base Dori nun in der Stille ihren Weg gehen lassen, nachher könne es ja ganz anders kommen. Als Niki Sami sah, daß kein Einschreiten der Nonna, die allein es tun konnte, stattfinden werde, nahm er Abschied und ging grollend davon. Seine Besuche wiederholte Niki Sami immer wieder bei der Base Dorothea, nur mit dem Schlitten kam er nicht mehr. Ersprach nun meistens vom Frühling mit ihr und der Tochter, und dabei kam ihm dann wieder in den Sinn, daß man eigentlich im Frühling und Sommer doch noch zu viel mehr Lustbarkeiten komme, als im Winter. Das brachte ihn dann immer in sehr gute Stimmung, und er beschrieb diese lustigen Anlässe, die Dori bald kennen lernen sollte, so eingehend, daß die Schilderungen immer eine lange Zeit in Anspruch nahmen. Meistens verschwand dann Dori mitten in der Erzählung und erschien nicht wieder. Das verdroß aber den Niki Sami sehr, und der alte Groll gegen den Herrn Pfarrer stieg wieder in ihm auf und gewöhnlich rief er erzürnt aus: »Wird er denn auch nie fertig mit seinem Unterricht? Der braucht keinem die Ewigkeit zu erklären, er beweist sie mit seinem Unterricht.«
Aber Dorothea hatte in ihrer unwandelbaren Freundlichkeit ein Mittel, den Aufgebrachten immer wieder zu besänftigen und so umzustimmen, daß er ihr Haus gewöhnlich mit versöhnten Gefühlen, sogar gegen seinen Widersacher, den Herrn Pfarrer, verließ.
Achtes Kapitel
Der April war gekommen. Das Osterfest sollte in wenig Tagen gefeiert werden. Noch lag ein tiefer Schnee ringsum auf dem Lande, nur an den sonnigen Halden kamen kleine, grüne Stellen zum Vorschein und weckten frohe Frühlingsahnung in Doris verlangendem Herzen. Eben war sie hereingekommen, die ersten grünen Blättchen in der Hand tragend, die sie an einer der schneefreien Stellen erobert hatte.
»Endlich, Mutter«, rief sie fröhlich aus, »endlich wird auch hier der Frühling kommen!«
»O und er ist so herrlich hier in seinem ersten Grün«, rief Dorothea aus, die der wonnevollen ersten Frühlingstage gedachte, die ihr als Mädchen nach den damalserlebten, langen Winterzeiten wie süße Wunder Herz und Auge erfreut hatten.
Dori war eben noch beschäftigt, ihre Blätter und Zweiglein ins Wasser zu stellen, als ein fester Tritt der Tür nahte; Dori machte schnell auf. Ein alter Mann stand vor ihr mit dichtem, weißem Haar und einem freundlichen Gesicht, aus dem zwei durchdringende, fast jugendlich glänzende Augen sie ganz väterlich anblickten. Einen Augenblick schaute Don verwundert zu ihm auf, dann fiel ihr Blick auf die Blumen in seiner Hand, und ihre Hände zufammenschlagend rief sie aus: »O, der volle Sommer, der ganze duftende Sommer noch vor dem Frühling!«
Dorothea war herzugetreten. Sie erfaßte die ausgestreckte Hand des Alten und drückte sie mit großer Herzlichkeit. »Grüß Gott, Melchior, grüß Gott!« wiederholte sie mit warmer Freude, den Gast in die Stube hereinziehend.
»So kennst du mich noch, Dorothea«, sagte er, ihr folgend, »das freut mich, ich dachte, ich müßte dir aus der Erinnerung gekommen sein.
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